London (Großbritannien) – Mehr als ein Viertel der Menschen, die regelmäßig meditieren, hatten damit einhergehend bereits eine „besonders unangenehme“ psychologische Erfahrung, einschließlich Angstgefühlen und verstörerischen Emotionen. Psychologen fordern deshalb mehr Forschung zu den verschiedenen Meditationspraktiken. Auffallend sind zugleich deutliche Unterschiede zwischen meditierenden Männern und Frauen.
Wie das Team um Marco Schlosser vom Londoner University College aktuell im Fachjournal „PLoS ONE“ berichtet, zeigte ihre Online-Umfrage unter 1.232 Personen mit mindestens zweimonatiger Meditationserfahrung, dass gerade dekonstruktive Meditationspraktiken, wie beispielsweise das Vipassana (Einsicht) und die Zen-buddhistische Koan-Praxis sowie jene Meditierenden mit höheren Wiederholungsraten sog. negativen Denkens, eher von besagten „besonders unangenehmen“ meditationsbezogenen Erfahrungen berichteten.
Die Studie ergab allerdings auch, dass weibliche Teilnehmer und Personen mit religiöser Überzeugung mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine „besonders unangenehme“ Erfahrung hatten.
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„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, das öffentliche und wissenschaftliche Verständnis von Meditation über das einer gesundheitsfördernden Technik hinaus zu erweitern“, so Schlosser und führ dazu weiter aus: „Es ist nur sehr wenig darüber bekannt, warum, wann und wie solche meditationsbedingten Schwierigkeiten auftreten können. Es sind jetzt weitere Untersuchungen erforderlich, um die Natur dieser Erfahrungen zu verstehen. Wann sind unangenehme Erlebnisse wichtige Elemente der meditativen Entwicklung, und wann sind lediglich negative Auswirkungen zu vermeiden?“
Der Studie, die gemeinsam mit Kollegen der Universitäten Witten/Herdecke und der Ljubljana durchgeführt wurde, ging eine stets wachsenden Anzahl von Forschungsberichten und Fallstudien voraus, die darauf hinweisen, dass während des meditativen Trainings psychisch eben auch unangenehme Erfahrungen auftreten können und auch einige traditionelle buddhistische Texte beziehen sich auch auf anschauliche Berichte über ähnliche Erfahrungen, berichten die Forscher. Über die Verbreitung dieser Erfahrungen sei bislang aber nur sehr wenig bekannt.
Um die Prävalenz besonders unangenehmer meditationsbezogener Erfahrungen zu erfassen, wurde den Teilnehmern nur eine Frage zur Beantwortung gestellt: „Hatten Sie jemals besonders unangenehme Erfahrungen (z. B. Angst, Furcht, verzerrte Gefühle oder Gedanken, verändertes Selbst- oder Weltgefühl), die Ihrer Meinung nach durch Ihre Meditationspraxis verursacht wurden?“
Hintergrund
Die Daten der Studie geben keinen Hinweis auf die genaue Art der Erfahrungen oder deren Schwere und Auswirkungen. Das Einbeziehen einer Liste spezifischer Beispiele (d. H. Angst, Furcht, verzerrte Emotionen oder Gedanken, verändertes Selbst- oder Weltempfinden) in die Frage nach diesen Erfahrungen hätte die Antworten der Teilnehmer darauf verzerren können, in dem sie den Befragten beispielsweise ermutigt haben könnten, sich an diese besonderen Erfahrungen gegenüber anderen zu erinnern.Auch untersuchte die Studie keine möglichen vorbestehenden psychischen Gesundheitsprobleme, die die Prävalenzschätzung besonders unangenehmer meditationsbedingter Erfahrungen hätten stören können.
Der Querschnittscharakter der Daten lässt keine eindeutigen Rückschlüsse darauf zu, ob Meditation diese Erfahrungen verursacht hat.
Die Meditierenden berichteten auch, wie lange sie meditiert hatten und wie häufig sie praktizierten, ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben an einem Meditationsretreat teilgenommen hatten und welche Art von Meditation sie praktizierten (aufmerksam, konstruktiv oder dekonstruktiv). Sie vollendeten auch Maßnahmen des sich wiederholenden negativen Denkens und des Selbstmitgefühls.
Die Ergebnisse in der Zusammenfassung
– 25,6% der 1.232 Teilnehmer gaben an, bereits besonders unangenehme meditationsbezogene Erfahrungen gemacht zu haben.
– Mehr männliche Teilnehmer, 28,5%, hatten demnach eine besonders unangenehme Erfahrung, verglichen mit 23% der weiblichen Teilnehmer.
– 30,6% derjenigen, die keinen religiösen Glauben hatten, machten eine besonders unangenehme Erfahrung, verglichen mit 22% derjenigen, die einen religiösen Glauben hatten.
– Mehr Menschen, 29,2%, die nur dekonstruktive Meditationsarten praktizierten, berichteten von einer besonders unangenehmen Erfahrung, verglichen mit 20,3%, die sich nur mit anderen Meditationsarten beschäftigten.
– Und 29% derjenigen, die (zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben) an einem Meditationsretreat teilgenommen hatten, machten eine besonders unangenehme Erfahrung, verglichen mit
19,6%, die noch nie an einem Retreat teilgenommen hatten.
„Die meisten bisherigen Forschungsarbeiten zur Meditation konzentrierten sich auf ihre Vorteile“, bemerkt Schlosser und fordert, dass das Spektrum der von Wissenschaftlern untersuchten meditativen Erfahrungen erweitert werden müsse: „Es ist an dieser Stelle wichtig, keine vorzeitigen Schlussfolgerungen über die möglichen negativen Auswirkungen der Meditation zu ziehen.“
„Langzeitstudien können dazu beitragen, herauszufinden, wann, für wen und unter welchen Umständen diese unangenehmen Erfahrungen auftreten und ob sie langfristige Auswirkungen haben können. Diese zukünftige Forschung könnte dann klinische Leitlinien, Achtsamkeitshandbücher und die Ausbildung von Meditationslehrern beeinflussen.“
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