Saarbrücken (Deutschland) – Obwohl schon 2017/18 erstmals veröffentlicht, hat das US-Verteidigungsministerium erst kürzlich offiziell drei Videos freigegeben, die Mitschnitte von Navy-Kampfjets bei der Verfolgung von Flugobjekten zeigen, die selbst das US-Militär bis heute und ganz offiziell als „unidentifizierte Phänomene im Luftraum“ (Unidentified Aerial Phänomena, UAPs) charakterisiert (…GreWi berichtete). Während das Pentagon mit der Freigabe eigentlich letzte Zweifel an der Echtheit der Aufnahmen als von US-Navy-Piloten stammend, ausräumen wollte, liest sich die Berichterstattung in zahlreichen deutschsprachigen Nachrichtenseiten anders. Dieser Lesart zahlreicher einiger Leitmedien hat das US-Pentagon nun offiziell widersprochen.
Wie Grenzwissenschaft-Aktuell.de als erste deutschsprachige Nachrichtenseite berichtete, veröffentlichte das Pentagon am 27. April 2020 folgende Erklärung:
Zur sofortigen Veröffentlichung
Statement des Verteidigungsministeriums (der USA) über die Veröffentlichung historischer Navy-Videos
27. April 2020
Das (US-) Verteidigungsministerium (Department of Defense, DoD) hat die Veröffentlichung von drei unklassifizierten Videos autorisiert, eines aufgenommen im November 2004 und zwei weitere im Januar 2015. Alle drei Videos zirkulieren bereits seit geraumer Zeit im öffentlichen Raum, nachdem sie zunächst 2007 und dann 2017 unautorisiert veröffentlicht worden waren. Die U.S. Navy hat bereits zuvor anerkannt, dass es sich bei diesen Videos tatsächlich um Navy-Videos handelt. Nach einer eingehenden Prüfung hat das Ministerium entschieden, dass eine autorisierte Veröffentlichung/Freigabe dieser unklassifizierten Videos keine sensiblen Fähigkeiten oder Systeme preisgibt und auch nicht mit andauernden anschließenden militärischen Untersuchungen der Verletzung des militärischen Luftraumes (der USA) durch unidentifizierte Phänomene im Luftraum kollidiert. Das DoD veröffentlicht diese Videos, um jegliche Missverständnisse in der Öffentlichkeit auszuräumen, ob diese Videos authentisch sind oder nicht, oder ob es zu diesen Videos noch mehr gibt. Die in den Videos zu sehenden Phänomene im Luftraum werden (vom DoD) weiterhin als „unidentifiziert“ klassifiziert. Die veröffentlichten Videos können über die Webseite des für Angelegenheiten des Informationsfreiheitsgesetzes (FOIA) des Naval Air Systems Command eingesehen (und heruntergeladen) werden: https://www.navair.navy.mil/foia/documents
Original:
Immediate Release
Statement by the Department of Defense on the Release of Historical Navy Videos
April 27, 2020
The Department of Defense has authorized the release of three unclassified Navy videos, one taken in November 2004 and the other two in January 2015, which have been circulating in the public domain after unauthorized releases in 2007 and 2017. The U.S. Navy previously acknowledged that these videos circulating in the public domain were indeed Navy videos. After a thorough review, the department has determined that the authorized release of these unclassified videos does not reveal any sensitive capabilities or systems, and does not impinge on any subsequent investigations of military air space incursions by unidentified aerial phenomena. DOD is releasing the videos in order to clear up any misconceptions by the public on whether or not the footage that has been circulating was real, or whether or not there is more to the videos. The aerial phenomena observed in the videos remain characterized as “unidentified.” The released videos can be found at the Naval Air Systems Command FOIA Reading Room: https://www.navair.navy.mil/foia/documents
Gleiches wurde auch von der Pentagon-Sprecherin Susan Gough auf Anfrage unterschiedlicher Medien wiederholt, bestätigt und findet sich so und nicht anders (natürlich in redaktionell bearbeiteter und teils gekürzter Form) in den Agenturmeldungen von „DPA“ und „AFP Deutschland“, die (das zeigen die jeweiligen Endnoten und Quellenverweise) die Grundlage der meisten deutschsprachigen Nachrichtenmeldungen und Artikeln zum obig zitierten Statement des Pentagon zur Freigabe der Aufnahmen waren.
…lesen Sie auch das GreWi-DOSSIER:
“Über den Umgang mit UFO-Sichtungen und offiziellen UFO-Akten in Deutschland und Europa“
Während also das Pentagon und Gough darum bemüht waren, klar zu stellen, dass man mit der offiziellen Freigabe der Videos jegliche Diskussionen und Spekulationen darüber aus der Welt räumen wollte, dass es sich bei den Video vielleicht gar nicht um „echte Navy-Videos“ handelte, wurde den Leserinnen und Lesern in zahlreichen deutschsprachigen Nachrichtenmeldungen eine etwas andere Geschichte erzählt.
So wird das News-Video zur Freigabe der UFO-Videos auf „Spiegel.de“ mit folgender „Erläuterung“ kommentiert und dort behauptet: „Mit der offiziellen Freigabe für die Öffentlichkeit erhofft sich das Verteidigungsministerium nun weitere Erkenntnisse darüber, was auf den Aufnahmen tatsächlich zu sehen ist (…).“
Diese Aussage wird auch als Teaser auf der Spiegel-Startseite und direkt zum Video selbst zitiert, wenn es heißt: „Nun hat das Pentagon die Aufnahmen veröffentlicht – und hofft auf Hinweise zur Identifikation der Objekte.“
Nach Angaben der „Arbeitsgemeinschaft Online Forschung“ (AGOF) lasen im Januar 2017 monatlich etwa 19 Millionen Nutzer Spiegel Online. Damit erzielt die Seite im deutschsprachigen Raum hinter Bild.de und Focus Online unter den deutschen Online-Nachrichtenportalen die drittgrößte Reichweite. Im Jahr 2017 gehörte „Spiegel Online“ zudem zu den zehn meistzitierten Quellen in der deutschsprachige Wikipedia. (Quelle: Wikipedia)
In ähnlicher Weise wurde die Freigabe der Videos durch das Pentagon auch von zahlreichen „kleineren“ deutschsprachigen Nachrichtenportalen übernommen. So schreibt etwa auch die „Tiroler Tageszeitung“ unter dem Titel „Unscharfe Aufnahmen der Marine: Pentagon veröffentlicht drei Ufo-Videos“: „Schwarz-weiß, unscharf und wacklig – so sehen drei Aufnahmen aus, die das Pentagon veröffentlicht. Der Inhalt? Im wahrsten Sinne des Wortes unbekannt. Möglicherweise handelt es sich um außerirdisches Leben. Die Bevölkerung soll bei der Aufklärung helfen.“
Offenbar aus gleicher Quelle wie jene der Tiroler Kollegen (oder eben umgekehrt…), da nahezu wortgleich, berichtet auch ein Video mit Meldungstext auf dem Webportaal des Nachrichtensenders „n-tv“.
Laut Informationen der deutschsprachigen Wikipedia ist „n-tv.de“ mit einer Reichweite von bis zu 6,64 Millionen Unique User und bis zu 45,3 Millionen Seitenabrufen im Monat nach Spiegel Online das größte deutsche Nachrichtenportal.
Auch „RTL.de“ titelt: „Kampfjets filmten die Flugobjekte – Pentagon veröffentlicht Ufo-Aufnahmen“ und behauptet dann sogar, man „suche Zeugen“ (s. Abb.). An späterer Stelle im Text heißt es dann: „Deshalb hat das Pentagon jetzt Videoaufnahmen der Ufos veröffentlicht und bittet Zeugen um Hilfe.„
Laut offiziell einsehbaren Statistiken und Daten der AGOF erreichte das digitale Gesamtangebot von „RTL.de“ im März 2020 21,93 Millionen sog. Unique User.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
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Auch der Wiener „Standard“ erklärte (ursprünglich!) unter dem Titel „Sichtungen nehmen zu: US Navy veröffentlicht drei Ufo-Videos“ folgendes: „Militär erhofft sich von Verbreitung der unscharfen Aufnahmen Hinweise auf Ursprung und Natur der ‚ungeklärten Luftphänomene‘“.
(Hinweis GreWi: Als Reaktion auf einen Hinweis und Nachfrage von Grenzwissenschaft-Aktuell.de bei der Redaktion des „Standard“, wurde dies mittlerweile korrigiert. Weiteres dazu siehe unten…)
Mit monatlich rund 2,5 Millionen Seitenaufrufen erreicht „Standard.at“ laut der „Österreichischen Webanalyse“ (ÖWA) aktuell alleine im eigenen Land rund 37,8 Prozent der Internetnutzer.
Wer sich nun aber erneut das offizielle Pressestatement des Pentagon durchliest, wird umsonst nach jener Passage suchen, an denen sich das US-Verteidigungsministerium durch die Freigabe der Videos an die Öffentlichkeit wendet und sich von hier Erkenntnisse darüber erhofft, was die Videos zeigen, oder gar nach weiteren Zeugen sucht. Der Grund hierfür ist einfach: Diese Passagen und Aussagen gab und gibt es nicht, sind schlichtweg falsch und offenbar frei erfunden.
Auf Anfrage von GreW-Herausgeber Andreas Müller erklärte die hier und da sogar direkt zitierte Pentagon-Sprecherin Susan Gough:
„I never said that, not in the statement we released, nor in any response to any queries from other journalists.“ (dt.: Das habe ich nie gesagt. Nicht in dem Statement, das wir veröffentlicht haben, noch als Antwort auf irgendeine Anfrage anderer Journalisten.“)
Tatsächlich ist die Aussage aber auch nicht Teil der als Quellen ausgewiesenen Agenturmeldungen von DPA und AFP (…zumindest nicht in der Form, die GreWi vorliegen). Allerdings berichteten aber nicht alle deutschsprachigen Leit- und Verlagsmedien derart über die Freigabe der UFO-Videos des Pentagon – und das, obwohl auch hier die Agenturtexte von DPA und AFP als Quellen ausgewiesen wurden.
So findet sich beispielsweise in den Meldungen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), bei „Heise.de“ oder „Focus-Online“ u.a. nichts von der angeblichen Hoffnung des US-Militärs auf „Amtshilfe“ der Öffentlichkeit. Selbst bei der „Bild-Zeitung“ bzw. auf „Bild.de“ ist keine Rede davon, stattdessen wird Gough auch hier einfach nur korrekt zitiert…
Diese Info finden Sie im deutschsprachigen Web so und erstmals nur auf Grenzwissenschaft-Aktuell
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Von den auf diesen Umstand hingewiesenen Redaktionen (Spiegel, Standard, Tiroler Tageszeitung, N-tv.de, RTL.de) hat sich nach rund als zwei Wochen (Stand: 12.05.2020) und mehrfacher Nachfrage (alle Erstanfragen fanden zwischen dem 28. April und 3. Mai 2020 statt) nur die Redaktion des „Standard“ zu meiner Frage nach einer Quellenangabe für das angebliche Zitat geäußert und auch entsprechend mit einer Korrektur des ursprünglichen Textes reagiert:
„Ich danke Ihnen für den Hinweis auf diese Textstelle. Tatsächlich handelt es sich um eine ungenaue und sinnverfälschende Übersetzung einer Aussage der Pentagon-Sprecherin Sue Gough, die meinte: ‘DOD is releasing the videos in order to clear up any misconceptions by the public on whether or not the footage that has been circulating was real, or whether or not there is more to the videos.’ Wir haben die entsprechenden Stellen mittlerweile geändert.“
(Auch die „Tiroler Tageszeitung“ reagierte zwar mehrmals auf meine Mail und Nachfrage, bislang aber lediglich mit dem Hinweis, man werde die Mail an die zuständige Redaktion weiterleiten. Eine konkrete Antwort und Reaktion steht hier bislang noch aus…)
Übrigens: Trotz intensiver (wenn auch sicherlich nicht umfassender) Recherche, konnte GreWi bislang keine einzige ausländische bzw. nicht-deutschsprachige Nachrichtenmeldung dortiger Leitmedien mit einer ähnlichen Erzählung finden…
+ + + GreWi-Kommentar
Man mag die doch recht eigene Lesart des Pentagon-Statements durch einige der führenden und Reichweiten-stärksten deutschsprachigen Online-Nachrichtenmedien bewerten wie man will – ein Medien-Skandal ist es sicherlich nicht, und wenn, dann nur ein kleiner. Dennoch sollte die Frage erlaubt sein, woher diese offenbar frei erfundene Narative stammt und was sie bei Lesern und Leserinnen bezwecken und bewirken soll? Man kann es als Übersetzungsfehler abtun, auch wenn ein solcher angesichts der Originalstatements doch schon ungewöhnlich erscheint. Schließlich wurde hier nicht ein einzelnes Wort, kein Satz falsch verstanden, sondern – wenn auch nur mit wenigen Worten – ein ganzes Szenario gezeichnet. Man stelle sich einmal vor, ein solcher „Zusatz“ würde Journalisten unterlaufen, wenn es etwa um ein politisches Statement von internationaler Tragweite ginge.
Tut es doch, mögen da einige einwenden – und hätten damit noch nicht einmal unrecht, wie dies die Reaktion Japans auf die Freigabe der UFO-Videos zeigt, das nun ankündigte, selbst Meldeprozedere für UFO-Sichtungen seiner Militärpiloten erarbeiten zu wollen (…GreWi berichtete).
Stilistisch entsteht (zumindest bei mir, A.M.) der Eindruck, dieses hinzugefügten Szenarios eines „Amtshilfegesuchs des US-Militärs bei der allgemeinen Öffentlichkeit“, wolle die Tragweite dieses bislang einmaligen Schrittes durch das US-Verteidigungsministeriums im Umgang mit dem UFO-Phänomen schmälern. Ganz nach dem Motto: „Schaut her, die haben da zwar was gefilmt, haben aber selbst keine Ahnung und geben das Zeug den Spinnern, die sonst nix zu tun haben…“
Doch genau so war es eben nicht, wie dies das Statement des Pentagon und die Freigabe der Videos, sowie die zu den Videos vorliegenden Zeugenberichten der Navy-Piloten zeigen. Nein, die technologisch-militärisch führende Weltmacht USA brauchen sicher nicht die Hilfe der Öffentlichkeit, um Phänomene zu identifizieren, die von der eigenen, mit am weltweit fortschrittlichsten Militärtechnologie und den sie kontrollierenden Piloten und Radaroperateuren gesichtet und dabei geortet wurden, wie sie genau diese Hochtechnologie ausspielen. Vielmehr scheint mir persönlich ein weiteres anschauliches Beispiel für die subtile Tabuisierung des UFO-Phänomens durch einige der Medien vorzuliegen, wie sie schon seit Jahren sowohl von UFO-Forschern aber auch Soziologen, Politologen und Naturwissenschaftlern aufgezeigt und kritisiert wird, die ein Umdenken gerade auch der deutschsprachigen sogenannten Leitmedien fordern (…GreWi berichtete 1, 2, 3, 4).
In anderen Ländern ist genau dies bereits geschehen. Federführend dabei sind die USA, wo sich seit der Titelstory der „New York Times“ im Dezember 2017 – mit der diese das bis dahin jüngste, geheime UFO-Forschungsprogramm der USA enthüllt hatte – kaum eine der dortigen großen „Verlagsmedien“ abschätzig und belustigt über UFOs berichten – darunter die bereits zitierte „The New York Times“, „CNN“, „Politico“ (1, 2), „Time“, „Washington Post“ u.v.m.
Diese tun das nicht, weil in den USA plötzlich alle an „fliegenden Untertassen“ und „kleine grüne Männchen“ glauben, sondern weil man erkannt hat, dass das UFO-Phänomen eben sehr viel mehr ist als das: Wenn unbekannte Flugobjekte – ganz gleich welcher Herkunft, ob aus dem Ausland oder dem Weltall kommend – in der Lage sind, in das Lufthoheitsgebiet der militärtechnologisch vermutlich mächtigsten Nation der Welt nicht nur ungehindert einzudringen, sondern offenbar deren Technologie auch auszuspielen, dann sollten wir alle besorgt sein oder zumindest wissen wollen, was diese Flugobjekte sind, woher sie stammen und warum sie da sind. Dann dürfen wir uns auch nicht vor den Antworten scheuen – ob sie uns passen, oder nicht.
Andreas Müller, Hrsg. grenzwissenschaft-aktuell.de (GreWi)
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Quelle: Grenzwissenschaft-Aktuell.de
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