Vorsicht Fake News: Weder Stephen Hawking noch Jason Wright glauben, dass ‚Oumuamua ein außerirdisches Raumschiff ist

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Künstlerische Darstellung des Objekts `Oumuamua (Illu.).
Copyright: ESO/M. Kornmesser

Saabrücken (Deutschland) – Spätestens seit die SETI-Initiative „Breakthrough-Listen“ erklärt hat, das von außerhalb unseres Sonnensystems stammende Objekt „‚Oumuamua“ nach künstlichen Signalen untersuchen zu wollen (…GreWi berichtete), überschlagen sich selbst die Mainstream-Medien mit Spekulationen über dieses Szenario. Eine große britische Zeitung zitierte selbst den berühmten Astrophysiker Stephen Hawking mit dessen angeblicher Überzeugung, es handele sich um ein außerirdisches Raumschiff und den Astronomen Jason Wright mit der Behauptung, bei ‚Oumuamua handele es sich wahrscheinlich um eine „unkontrolliert trudelndes Alien-Sonde mit beschädigtem Antrieb“. Mittlerweile haben auch große deutschsprachige Medien den Inhalt dieser Meldungen übernommen. Offenbar allerdings ungeprüft – denn die angeblichen Zitate sind entweder gänzlich falsch oder ohne Wissen derer, denen sie in den Mund gelegt wurden, frei aus dem Zusammenhang gerissen. Grenzwissenschaft-Aktuell.de hat nachgefragt und klärt auf.

Erst am 13. Dezember titelte die britische „Daily Mail“ mit der Überschrift: „Führender Astronom sagt: Sonderbar schlingernde Bewegung des zigarrenförmigen interstellaren ‚Kometen‘ Oumuamua legt nahe, dass es eine Alien-Sonde mit beschädigtem Antrieb ist“ („Strange tumbling motion of cigar-shaped interstellar ‚comet‘ Oumuamua suggests it’s an alien probe with BROKEN engines, says leading astronomer“). Gemeint ist damit Dr. Jason Wright von der Pen State University, der im vergangenen Jahr durch sein Gedankenspiel bekannt wurde, dass das sonderbare Lichtmuster des fernen Sterns „KIC-8462852“ wenn nicht astrophysikalisch, dann möglicherweise durch eine gigantische künstliche Konstruktion (ähnlich einer Dyson-Sphäre) erzeugt werden könnte (…GreWi berichtete).

In dem Artikel behauptet die „Daily Mail“ weiter, Wright habe erklärt, dass ein beschädigtes außerirdisches Raumschiff auf die gleiche Art und Weise durchs All treiben würde, wie das besagte Objekt ‚Oumuamua, von dem Astronomen bislang glauben, dass es sich am wahrscheinlichsten entweder um einen interstellaren Kometen oder Asteroiden, also um ein astrophysikalisch-natürliches Objekt, handelt (…GreWi berichtete).

Dann zitiert die „Mail“ den Astronomen aus einem seiner Blogbeiträge zu Oumuamua – ohne die zitierten Sätze aber im eigentlichen und damit richtigen Kontext darzustellen.

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Tatsächlich schrieb Wright in seinem Beitrag über sogenannte Von-Neumann-Sonden. Hierbei handelt es sich um hypothetische Sonden einer außerirdischen Zivilisation, die – auf anderen Welten angelangt – dortige Ressourcen nutzen, um möglichst viele identische Kopien von sich selbst zu konstruieren, um sich so exponentiell weiter in einer Galaxie zu verbreiten.

Allerdings schreibt Wright NICHT, dass er das Objekt ‚Oumuamua für eine solche Von-Neumann-Sonde hält. Wright führt lediglich innerhalb einer Diskussion einen Gedanken darüber aus, laut dem es neben Oumuamua noch tausende ähnliche Objekte in unserem Sonnensystem geben sollte, die bislang nur noch nicht entdeckt wurden. Astronomen sehen wie gesagt in diesen Objekten interstellare Kometen oder Asteroiden. „Sollte die aktuelle SETI-Suche nun aber zeigen, dass es sich doch eher um ein außerirdisches Raumschiff handeln (…), würde dies auch bedeuten, dass es auch davon unzählige im Sonnensystem geben müsste.“ Und die beste Erklärung für ein solches Szenario sei eben die Vorstellung, dass es sich in diesem – hypothetischen Fall – um eine von vielen weiteren Von-Neumann-Sonden handeln könnte. Die Bewegung des Objekts würde dann – wiederum hypothetisch – darauf hindeuten, dass es sich um eine beschädigte dieser Sonden handele, da eine solche Sonde (so sie nicht schnell genug wäre, um der Anziehungskraft der Sonne zu entkommen) sich den Bewegungen der anderen Körper in einem System nach und nach anpassen würde, und dann eben wie eine Asteroid oder Komet erscheinen könne. Auch das Taumeln und Trudeln des Objekts würde in einem solchen Fall auf eine Sonde mit beschädigtem Antrieb hindeuten und sie wiederum von Kometen und Asteroiden unterscheiden. „In einem solchen Fall wären dann aber wohl auch ihre Radiotransmitter beschädigt“, was wiederum bedeuten könnte, dass wir auch keine Signale von dem Objekt empfangen könnten, so Wright.

Zusammengefaßt: Wrights Ausführungen sind rein hypothetisch gemeint und als solche auch im Kontext seinem Beitrages leicht und deutlich erkennbar. Tatsächlich macht er in selbigen Beitrag und zuvor mehr als deutlich, dass er bislang „keine Hinweise dafür kennt, dass Oumuamua ein außerirdisches Artefakt oder Raumschiff sein könnte.“

A/2017 U1 is most likely of interstellar origin.Diese Animation zeigt den Weg des Objekts durch unser Sonnensystem. Anhand der Bahneigenschaften schlussfolgern Astronomen, dass “Oumuamua” von außerhalb unseres Sonnensystems stammt.
Copyright: NASA / JPL-Caltech

Umso interessanter ist die Interpretation von Wrights Ausführungen durch die „Daily Mail“, als dass Wright auf Twitter erklärt, die „Mail“ habe ihn zuvor um ein Interview gebeten.

Gegenüber dem Herausgeber von Grenzwissenschaft-Aktuell.de (A. Müller) erläutert Wright die Situation weiter wie folgt:

„(Seit meinen Ausführungen zu KIC) scheint die Mail-Online entschieden zu haben, dass ich der Wissenschaftler der Wahl bin, wenn es darum geht, mit der Entdeckung außerirdischen Lebens Klickraten zu generieren.

Bislang hat die Mail schon drei Artikel veröffentlicht, in denen sie nahelegt, dass ich denken würde, ich hätte Beweise für außerirdisches Leben gefunden, obwohl ich in allen dieser Fälle eigentlich sogar das Gegenteil behauptet hatte.

01553Prof. Jason T. Wright
Copyright: psu.edu

Es ist schade, dass es offenbar nicht möglich ist, ernsthaft die Frage zu diskutieren, wie wir vielleicht außerirdisches Leben finden könnten und dabei natürliche Anomalien als Beispiele zu nennen, ohne dass dies einem im Mund verdreht wird.

Tatsächlich hat mich die ‚Mail‘ um ein Interview gebeten und ich hatte auch schon zugesagt. Danach haben sie sich aber gar nicht mehr bei mir gemeldet. Stattdessen haben sie einfach meine Ausführungen zur Diskussion um die Von-Neumann-Sonden zitiert.

Aktuell behaupten (die ‚Mail‘ und der ‚Daily Mirror‚) sogar, dass auch Stephen Hawking dieser Überzeugung sei, eben weil er das Team, das derzeit im Rahmen von Breakthrough-Listen nach Radiosignalen (von Oumuamua) sucht, leite. Beide Aussagen sind alles andere als richtig. (Anm. GreWi: Weder leitet Hawking die derzeitige SETI-Suche, noch hat er sich entsprechend zu Oumuamua geäußert.) Seine Anwesenheit bei der Pressekonferenz zur Gründung der Breakthrough-Listen-Initiative und seine Unterstützung des Projekts genügt (der „Mail“) offenbar, um derartige Unterstellungen zu rechtfertigen.“

Mittlerweile haben auch große deutsche Medien die falsche Story offenbar ungeprüft übernommen darunter BILD-Online, EpochTimes, Sputnik Deutschland oder Focus-Online, u.a.

Der aktuelle Stand der SETI-Suche
Das SETI-Team von der Breakthrough-Initiative hat unterdessen einen ersten Zwischenbericht zu seiner Suche nach Radiosignalen von Oumuamua veröffentlicht. Demnach wurde zumindest bis zur derzeitigen Halbzeit der Beobachtungen noch kein Alien-Signal gefunden, das von dem Objekt ausgeht. Schon zuvor hatte auch das SETI-Institute vergeblich mit der Allen-Telescope-Array (ATA) nach entsprechenden Signalen gesucht (…GreWi brichtete exklusiv).

Sobald der Abschlussbericht der Breakthrough-Listen-Astronomen vorliegt, wird GreWi natürlich berichten.

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