Forscher berechnen Wahrscheinlichkeit für außerirdische Zivilisationen neu

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02537Die Drake-Gleichung (o.) zur Berechnung der Anzahl technologisch entwickelter Zivilisationen in der Milchstraße.
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Copyright/Quelle: University of Rochester

Rochester (USA) – Sind wir alleine im Universum? Diese Frage bewegt die Menschen wohl schon von jeher. Mit Hilfe der sogenannten Drake-Gleichung sind Wissenschaftler darum bemüht, zumindest statistisch eine Antwort darauf zu geben. US-Astronomen haben diese Gleichung nun mit den neusten Beobachtungsdaten gefüttert. Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass nur auf der Erde intelligentes Leben entstanden ist, ist gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit dieser Intelligenz auch Kontakt aufnehmen können allerdings auch.

Wie das Team um Professor Adam Frank von der University of Rochester und Woodruff Sullivan von der University of Washington aktuell im Fachjournal „Astrobiology“ (DOI: 10.1089/ast.2015.1418) berichtet, berücksichtigt die neue Schätzung die neusten Daten der jüngsten Entdeckungen und Beobachtungen von Exoplaneten – also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems.

„Die Antwort auf die Frage, ob es neben uns auch noch andere, technologisch entwickelte Zivilisationen im Universum gibt, war bislang von drei großen Unsicherheiten in der Drake-Gleichung beeinträchtigt“, erläutert Frank und führt weiter aus: „Zwar wissen wir schon vergleichsweise lange, wie viele Sterne es grundsätzlich gibt. Wir wussten lange Zeit aber nicht, wie viele dieser Sterne Planeten besitzen, die ihren Stern innerhalb dessen habitabler – also nach irdischen Standards lebensfreundlicher – Zone umkreisen. Ebenso wenig wissen wir, wie oft sich einfaches Leben zu Intelligenz entwickelt und wie lange entwickelte Zivilisationen bestehen, bevor sie vergehen. (…) Dank der Daten des Kepler-Weltraumteleskops und anderer Missionen wissen wir nun aber zumindest grob einzuschätzen, dass etwa jeder fünfte Stern von Planeten innerhalb der habitablen Zone umkreist wird. Eine der drei großen Ungewissheiten haben wir mittlerweile also eliminiert.“

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Da bislang aber noch keine Werte zur Beantwortung der Frage vorliegen, wie lange (technologisch) entwickelte Zivilisationen bestehen – und uns hierbei auch nicht die Kenntnis darüber weiterhilft, dass wir Menschen seit etwa 10.000 Jahren Techniken und Technologien entwickeln – haben die Forscher die Frage umgedreht: „Statt zu Fragen, wie viele Zivilisationen wohlmöglich im Universum existieren, fragen wir nun, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass wir (die Menschheit) die einzige jemals entstandene Zivilisation im Universum sein könnten“, so Sullivan.

Dieser verschobene Fokus eliminiert die Ungewissheit über die Lebensspanne von Zivilisationen und erlaubt es den Forschern die Frage zu stellen, wie oft sich in der Geschichte des Universums Leben zu einer höheren Zivilisation entwickelt hat?

Einen ähnlichen Kunstgriff haben die Wissenschaftler auch angesichts der Frage nach der Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von intelligentem Leben auf lebensfreundlichen Planeten angewandt.

Statt also diese Wahrscheinlichkeit zu schätzen, haben Sullivan und Frank die Wahrscheinlichkeit gegen die Entstehung von Intelligenz berechnet – also für das Szenario, dass wir Menschen die einzige technologisch entwickelte Zivilisation im bisherigen und gesamten beobachtbaren Universum sein könnten.

„Wir können also zwar nicht sagen, wie wahrscheinlich es ist, dass intelligente und technologisch entwickelte Spezies auf einem lebensfreundlichen Planeten entstehen“, erläutert Frank, „aber wie können ziemlich genau sagen, wie gering die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass wir von jeher die einzige Zivilisation im Universum waren und sind. Wir nennen das die ‚Pessimismus-Grenze‘: Wenn die Wahrscheinlichkeit über dieser Grenze liegt, dann kann getrost davon ausgegangen werden, dass es schon vor uns technologische Zivilisationen gegeben hat.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass es vor uns noch nie eine Zivilisation im Universum gab, sei demnach nur dann gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf einem bestimmten lebensfreundlichen Planeten eine Zivilisation entwickelt haben kann, unterhalb 1 zu einer Milliarde Billionen (10 hoch 22) liegt.

„Und das ist schon unglaublich niedrig“, erläutert Frank. „Für mich zeigt dies, dass sich mit großer Wahrscheinlichkeit schon vor uns intelligente Zivilisationen im Universum entwickelt haben.“

Vor den Ergebnissen der neuen Berechnungen, galt schon die Annahme des Wahrscheinlichkeitswertes für die Entstehung einer außerirdischen Zivilisation von 1 zu einer Billion als mathematisch pessimistisch. „Doch selbst diese Schätzung der Wahrscheinlichkeit (von 1 zu einer Billion) legte nahe, dass sich die Entstehung von Intelligenz wie auf der Erde tatsächlich zuvor schon mehr als 10 Milliarden mal in der kosmischen Geschichte ereignet hat.“

Sinken die Maßstäbe, so werden natürlich auch die Werte weniger extrem: Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich innerhalb unserer Milchstraße intelligentes Leben entwickelt ist dann gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf einem bestimmten Planeten intelligentes Leben entwickelt hat, bei mehr als 1 zu 60 Milliarden liegt.

Während diese Werte zunächst hoffnungsvoll klingen, verweisen die Autoren der Studie aber auch auf den Umstand, dass das Ziel der Drake-Gleichung auch die Berechnung der Wahrscheinlichkeit beinhaltet, dass andere technologisch entwickelte Zivilisationen auch zu unseren Lebzeiten existieren:

„Das Universum ist mehr als 13 Milliarden Jahre alt“, kommentiert Sullivan hierzu. „Das bedeutet, dass selbst wenn es rund 1.000 Zivilisationen in unserer eigenen Galaxie geben sollte, diese aber nur in etwa so lange existieren, wie es die menschliche Zivilisation bislang gibt (ca. 10.000 Jahre), wahrscheinlich keine dieser Zivilisationen heute noch existiert – und andere werden erst sehr viel später nach uns entstehen.“

Die Chance, dass wir also eine „zeitgenössische“ fremde und technologisch aktive Zivilisation finden, sei also gering. Es sei denn Zivilisationen währen wesentlich länger als unsere bisherige.

„Aufgrund der unvorstellbaren Distanzen zwischen den Sternen und der festen Geschwindigkeit des Lichts, werden wir vermutlich nie eine direkte Konversation mit einer anderen Zivilisation führen können“, glaubt Frank.

Doch selbst für den Fall, dass es tatsächlich keine anderen Zivilisationen in unserer Galaxie geben sollte, mit denen wir kommunizieren könnten, besitzen die neuen Ergebnisse grundlegende wissenschaftliche und philosophische Bedeutungen: „Auf die grundlegende Frage, ob jemals vor uns irgendwo eine technologische Zivilisation entstanden ist, weist unser Ergebnis eine relativ klare Antwort aus: Es ist erstaunlich wahrscheinlich, dass die Erde und unsere Zeit darauf nicht der einzige Ort war und ist, an dem eine fortgeschrittene Zivilisation entstanden ist.“

Neben den statistischen Aussagen, die in dem Studienergebnis liegen, sehen Frank und Sullivan aber auch eine praktische Anwendung für diese. „Im Angesicht der Klimakrise, kann man sich die Frage stellen, ob auch andere Zivilisationen auf anderen Planeten an eine vergleichbare Grenze gekommen sind und es dennoch auf die andere Seite geschafft haben“, so Frank. „Wir wissen schließlich gar nicht, ob es hochtechnologisierten Zivilisationen überhaupt möglich ist, mehr als einige Jahrhunderte zu überdauern.“ Mit Hilfe der neuen Ergebnisse können Wissenschaftler nun damit beginnen, die Interaktion von energieintensiven Zivilisationen mit ihren Heimatwelten zu simulieren, da sie nun wissen, dass es im Universum wahrscheinlich schon eine nicht geringe Anzahl an Zivilisationen gegeben haben sollte.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass unsere biologische und kulturelle Evolution wahrscheinlich nicht einzigartig ist, und sich vor uns wahrscheinlich schon viele Male ereignet hat“, so die Forscher abschließend. „Die anderen Fälle beinhalten wahrscheinlich auch sehr energieintensive Zivilisationen, die immer dann mit planetaren Krisen konfrontiert waren, als ihre Zivilisationen anwuchsen. Jetzt können wir also damit beginnen, anhand von Simulationen eine Vorstellung davon zu gewinnen, was zu langlebigen Zivilisationen führt und was nicht.“

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