Webb-Weltraumteleskop findet bislang beste Anzeichen für eine Atmosphäre um einen fernen Felsplaneten
Pasadena (USA) – Mit dem Weltraumteleskop James Webb haben Astronomen die bislang besten spektralen Hinweise für eine Atmosphäre um einen fernen Felsplaneten gefunden. Auch wenn der Planet für Leben, wie wir es kennen, viel zu heiß ist, ermögliche der Nachweis fortan eine neue Form von Wissenschaft, so die Forschenden.
Wie das Team um Renyu Hu vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-024-07432-x) berichtet, handelt es sich bei dem Planeten um die super-heiße Super-Erde „55 Cancri e“. Der Planet ist fast doppelt so groß wie die Erde mit einer etwas höheren Dichte und umkreist einen sonnenähnlichen Stern im Sternbild Krebs.
„‘55 Cancri‘ e als felsig zu beschreiben, könnte allerdings den falschen Eindruck erwecken“, erläutert die Pressemitteilung der europäischen Raumfahrtagentur ESA. „Der Planet umkreist seinen Stern so nah (etwa 2,25 Millionen Kilometer, oder ein Fünfundzwanzigstel der Entfernung zwischen Merkur und der Sonne), dass seine Oberfläche wahrscheinlich geschmolzen ist – ein brodelnder Ozean aus Magma. In einer so engen Umlaufbahn ist es auch wahrscheinlich, dass der Planet gezeitengebunden ist, mit einer Tagseite, die ständig der Sonne zugewandt ist, und einer Nachtseite, die ewiger Dunkelheit ausgesetzt ist.“
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Im Gegensatz zu den Atmosphären von Gasriesen, die relativ leicht zu erkennen sind (die erste wurde vor mehr als zwei Jahrzehnten vom NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop entdeckt), waren dünnere und dichtere Atmosphären um Gesteinsplaneten bisher nur schwer zu finden. Schon zuvor hatten andere Weltraumteleskope wie das NASA-Teleskop „Spitzer“ erste Hinweise auf eine an flüchtigen Molekülen wie Sauerstoff und Kohlendioxid reiche Atmosphäre um „55 Cancri e“ gefunden; jedoch konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftler ebenso noch nicht ausschließen, dass es sich bei dem Planeten nicht auch um einen blanken Planeten handelt, dessen Hülle aus verdampften Gesteinen besteht.
Diese Unterscheidung ist den Forschenden um Hu nun mit dem „James Webb Space Telescope“ (JWST) gelungen: „Obwohl Webb selbst kein direktes Bild von ‚55 Cancri e‘ einfangen kann, kann es subtile Veränderungen im Licht des gesamten Systems messen, während der Planet den Stern umkreist, teilweise von diesem verdeckt wird oder vor ihm vorbeizieht.“
Mit dieser als „Sekundäre Finsternis Spektroskopie“ bezeichneten Methode fanden die Forschenden nun starke Hinweise für das Vorhandensein einer dichten Atmosphäre um “55 Cancri e” finden.
Würde es um einen blanken dunklen Planeten aus geschmolzener Lava und einer Hülle aus verdampftem Gestein handeln, so wäre die Tagesseite rund 2.200 Grad Celsius heiß. „Stattdessen zeigen die Daten eine Oberflächentemperatur von 1540 Grad. Das wiederum ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Energie zwischen der Tages- und Nachtseite durch eine an flüchtigen Gasen reiche Atmosphäre verteilt wird“, so Hu. „Während zwar auch Lavaströme Hitze auf die Nachtseite transportieren könnten, können sie hingegen jedoch nicht ausreichend Hitze derart transportieren, um den beobachteten abkühlenden Effekt zu erklären.“
Stattdessen sprechen die Daten für eine Atmosphäre, die Kohlenmonoxid oder -dioxid beinhaltet. Auch dies sind spektrale Werte, wie sie von einem blanken Planeten nicht zu erwarten sind.
Das Forschungsteam vermutet nun, dass die Gase, die „55 Cancri e“ umhüllen aus dem Innern des Planeten stammen und nicht bereits seit dessen Entstehung den Planeten umgeben. „Eine ursprüngliche Atmosphäre wäre aufgrund der enormen Temperaturen und der intensiven Strahlung des nahen Sterns schon längst verflogen“, erläutert Aaron Bello-Arufe, Mitautor der Studie und ebenfalls vom JPL. „Was wir hier beobachten können, ist vermutlich schon eine sekundäre Atmosphäre, die fortwährend von aus dem blubbernden Magma-Ozean austretenden Gasen aus dem Planeteninnern nachgefüllt wird.
Vermutlich wäre zudem jede Atmosphäre, die den Planeten umgibt, aufgrund von Wechselwirkungen mit dem Magmaozean komplexer und recht variabel: „Neben Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid könnten Gase wie Stickstoff, Wasserdampf, Schwefeldioxid, verdampfter Fels und sogar kurzlebige Wolken aus winzigen Lavatropfen, die aus der Luft kondensiert sind, vorhanden sein.“
Zwar ist „55 Cancri e“ viel zu heiß ist, um lebensfreundlich zu sein, dennoch glauben die Forschenden, dass auch diese Beobachtungen einen einzigartigen Einblick in die Wechselwirkungen zwischen den Atmosphären, Oberflächen und Inneren von Gesteinsplaneten bieten können. Möglicherweise sogar Einblicke in die Geschichte der frühen Erde, Venus und Mars ermöglicht, die in der Vergangenheit vermutlich ebenfalls von Magmameeren bedeckt waren. „Letztendlich wollen wir verstehen, unter welchen Bedingungen es einem Gesteinsplaneten möglich ist, eine gasreiche Atmosphäre aufrechtzuerhalten, eine Schlüsselzutat für einen bewohnbaren Planeten“, sagt Hu.
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Recherchequelle: ESA, Nature
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