Webb-Weltraumteleskop findet Wasser in Gesteinsplaneten-Zone um fernen jungen Stern

ALMA-Aufnahme von „PDS 70“ und die mit dem James-Webb-Weltraumteleskop ermittelte Wassersignatur in der inneren Gas-und Staubscheibe um den jungen Stern. Copyright/Quelle: MPIA
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ALMA-Aufnahme von „PDS 70“ und die mit dem James-Webb-Weltraumteleskop ermittelte Wassersignatur in der inneren Gas-und Staubscheibe um den jungen Stern.Copyright/Quelle: MPIA

ALMA-Aufnahme von „PDS 70“ und die mit dem James-Webb-Weltraumteleskop ermittelte Wassersignatur in der inneren Gas-und Staubscheibe um den jungen Stern.
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Heidelberg (Deutschland) – Mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST) haben Astronominnen und Astronomen Wasser in der inneren Region der protoplanetaren Staub- und Gasscheibe um einen fernen jungen Stern entdeckt, innerhalb derer erdähnliche Planeten entstehen. Es ist zudem die erste Entdeckung dieser Art in einer Scheibe, die bereits mindestens zwei Planeten beherbergt.

Wie das Team um Giulia Perotti vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-023-06317-9) berichtet, würden Gesteinsplaneten, die in dieser inneren Scheibe entstehen, unmittelbar von einem beträchtlichen Wasserreservoir profitieren. Das wiederum würde die Chancen auf eine spätere Lebensfreundlichkeit dieser Welten verbessern. Die Entdeckung sei demnach ein Hinweis auf einen Mechanismus, der potenziell lebensfreundliche Planeten während ihrer Entstehung mit Wasser versorgt.

Die nun mit dem MIRI-Instrument (Mid-InfraRed-Instrument) an Bord des James-Webb-Weltraumteleskopuntersuchte planetenbildende Scheibe umgibt des jungen Sterns „PDS 70“, 370 Lichtjahre von der Sonne entfernt.

Bis heute diskutieren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kontrovers die Frage, wie Wasser einst auf die Erde gelangte und ob dieser Prozess auch für erdähnliche Exoplaneten um andere Sterne funktionieren könnte. Meist gilt der Transport von Wasser durch die Zufuhr von wasserhaltigen Asteroiden, die die Oberfläche eines jungen Planeten bombardieren, als der wahrscheinlichste Mechanismus. Wie die MPIA-Pressemitteilung erläutert, belege der aktuelle Fund jedoch, dass Wasser eines der frühesten Bestandteile von Gesteinsplaneten sein könnte und bereits bei ihrer Geburt vorhanden ist.

In unserem eigenen Sonnensystem entspräche die Fundregion des Wassers jener Region, in der die Gesteinsplaneten die Sonne umkreisen. Rund um „PDS 70“ findet sich das Wasser derzeit noch in Form von 330 Grad Celsius heißem Dampf. Das Alter der Scheibe ist mit etwa 5,4 Millionen Jahren noch sehr jung. „Mit der Zeit nimmt der Gas- und Staubgehalt von planetenbildenden Scheiben ab. Entweder entfernt die Strahlung oder der Wind des Zentralsterns Material wie Staub und Gas, oder der Staub wächst zu größeren Objekten heran, die schließlich Planeten bilden“, erläutert die MPIA-Pressemitteilung. Da in früheren Studien kein Wasser in zentralen Regionen ähnlich entwickelter Scheiben nachgewiesen werden konnte, vermuteten Astronomen und Astronominnen bislang, dass Wasser die harte Sternstrahlung nicht überleben könnte, was zu trockenen Umgebungen während der Entstehung von Gesteinsplaneten führen würde.

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Diese Hypothese konnte nun mit dem James-Webb-Weltraumteleskop überprüft und vermutlich widerlegt werden. Wie sich zeigt, könnten die inneren Bereiche von entwickelten und staubarmen Scheiben vielleicht doch nicht so trocken sein wie bislang vermutet. „Wenn dies der Fall ist, könnten viele erdähnliche Planeten, die sich in diesen Zonen bilden, mit einer wichtigen Zutat geboren werden, die Leben ermöglicht“, so die Forschenden.

Bislang gibt es aber noch keine Hinweise auf Planeten in der Nähe des Zentrums der PDS 70-Scheibe. Stattdessen umkreisen zwei Gasriesenplaneten weiter draußen, PDS 70 b und c, den Stern: „Diese Planeten sammelten auf ihrer Bahn im Laufe ihres Wachstums Staub und Gas in der Umgebung an, sodass eine breite ringförmige Lücke entstand, in der fast kein Material mehr nachweisbar ist.“

Alle Gesteinsplaneten, die sich in einer wasserreichen Umgebung näher am Stern bilden, würden schon zu Beginn ihres Lebenszyklus von einem Wasservorrat profitieren, so Perotti und Team: „Einerseits gelangt Wasser über einen langwierigen Prozess unter Einbeziehung von Asteroiden über ein eher zufälliges kosmisches Transportsystem zu den anfänglich trockenen Gesteinsplaneten. Der Wassernachweis mit den neuen JWST-Beobachtungen öffnet nun die Tür für einen zusätzlichen, potenziell nachhaltigen Mechanismus, der Planeten bereits bei ihrer Geburt mit Wasser versorgt.“ Es sei nicht schwer, sich vorzustellen, dass ein solches Szenario die Chancen verbessern könnte, Gesteinsplaneten mit reichlich Wasser zu finden, auf denen Leben möglich ist. Die Fortschritte des MINDS-Programms werden schließlich zeigen, ob Wasser in den planetenbildenden Zonen der entwickelten Scheiben um junge Sterne häufig vorkommt oder ob PDS 70 lediglich eine Ausnahme darstellt.

Tatsächlich war die Entdeckung von Wasser um PDS 70 eher unerwartet, weshalb das Team nun mehrere Szenarien untersucht, um dessen Herkunft zu erklären. „Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Wasser ein Überbleibsel eines ursprünglich wasserreichen Nebels ist, der dem Scheibenstadium vorausging. Wasser kommt häufig vor, insbesondere im gefrorenen Zustand, wenn es winzige Staubpartikel bedeckt. Wenn es der Hitze eines nahen Sterns ausgesetzt wird, verdampft das Wasser und vermischt sich mit den anderen Gasen. Leider sind die Wassermoleküle recht anfällig und zerfallen leicht in ihre Bestandteile wie Wasserstoff und Sauerstoff, wenn sie von der schädlichen UV-Strahlung des nahen Sterns getroffen werden. Das umgebende Material wie Staub und die Wassermoleküle selbst dienen jedoch als Schutzschild. Daher könnte zumindest ein Teil des Wassers, das in der Nähe von PDS 70 entdeckt wurde, die Zerstörung überlebt haben.

Eine weitere Quelle könnte Gas sein, das von den äußeren Rändern der Scheibe von PDS 70 einströmt. Unter bestimmten Umständen können sich Sauerstoff- und Wasserstoffgas verbinden und Wasserdampf bilden. Außerdem könnten durch den Sog des sich bewegenden Gases wasserreiche Staubteilchen mitgerissen werden, die aus dem markanten äußeren Staubring stammen. Der Zentralstern ist so schwach, dass er das Wassereis in der Entfernung dieses Rings nicht verdampfen kann. Erst wenn die Staubkörner in die innere Scheibe in der Nähe des Sterns eindringen, verwandelt sich das Eis in ein Gas.“

Vermutlich sei es eine Kombination aus all den beschriebenen Möglichkeiten gewesen, aus denen das Wasser hervorging. „Dennoch ist es wahrscheinlich, dass einer dieser Mechanismen eine entscheidende Rolle beim Auffüllen des Wasserreservoirs der PDS 70-Scheibe spielt. In Zukunft wird es darum gehen, herauszufinden, welcher das ist.“

Nach weiteren Beobachtungen der Scheibe mit erdgestützten Teleskopen warten die Forschenden nun gespannt auf eine weitere Reihe von JWST-Beobachtungen, die detaillierte Bilder der inneren Scheibe von PDS 70 liefern sollen, um so vielleicht in ihrer Struktur Hinweise auf weitere erdähnliche Planeten oder die etwas größeren Sub-Neptune liefern zu können, die sich im Inneren des Wasserreservoirs bilden.




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Recherchequelle: MPIA

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