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Weitere Studie beschreibt biogene Fossilien auf dem Mars

Rover-Aufnahmen runder abgeflachter Aufbrüche auf dem Mars (A-C) und zum Vergleich eine bekannte erodierte mikrobialithische Struktur (D) am westaustralischen Lake Thetis. Die Maßbalken entsprechen jeweils 0,5 Metern. Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA / Hntgr. (D) by Bahnfrend (via WikimediaCommons)
Rover-Aufnahmen runder abgeflachter Aufbrüche auf dem Mars (A-C) und zum Vergleich eine bekannte erodierte mikrobialithische Struktur (D) am westaustralischen Lake Thetis. Die Maßbalken entsprechen jeweils 0,5 Metern.
Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA / Hntgr. (D) by Bahnfrend (via WikimediaCommons)

Consenza (Italien) – Immer mehr Astrobiologen sprechen sich in einer wachsenden Anzahl von Fachartikeln dafür aus, dass auf den Aufnahmen der Mars-Rover kleine und große Strukturen zu sehen sind, die denen irdischer biogener Fossilien, also Versteinerungen einst biologischer Organismen, auffallend ähnlich sind und deshalb als starke Beweise für einstiges Marsleben anerkannt werden sollten. In einer aktuellen Studie beschreibt ein italienischer Astrobiologe seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen und fragt, warum für den Mars nicht die gleichen geologischen Kriterien für die Bestimmung dieser Strukturen als Ergebnisse biologischer Prozesse gelten, wie auf der Erde.

In seinem aktuell im „International Journal of Astrobiology“ (DOI: 10.1017/S1473550420000026) veröffentlichten Artikel ruft Vincenzo Rizzo vom Consiglio Nazionale delle Ricerche zunächst die Arbeit und Schlussfolgerungen des deutschen Geologen Ernst Kalkowsky in Erinnerung, der 1908 ausschließlich auf morphologischen und sedimentologischen Grundlagen beruhend argumentierte, dass sogenannte Stromatolithen biotischen Ursprungs seien. Wurde Kalkowsky von der zeitgenössischen Wissenschaft noch belächelt, wissen wir heute, dass er mit seinen Schlussfolgerungen genau richtig lag.

Hintergrund

Ein Stromatolith aus der Asse bei Braunschweig, ein Exemplar derjenigen, die Kalkowskys Beschreibung von 1908 zugrunde lagen. Copyright: Brudersohn (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 3.0
Ein Stromatolith aus der Asse bei Braunschweig, ein Exemplar derjenigen, die Kalkowskys Beschreibung von 1908 zugrunde lagen.
Copyright: Brudersohn (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 3.0


Bei Stromatolithen handelt es sich um Sedimentgesteine, die durch Einfangen und Bindung von Sedimentpartikeln oder Fällung gelöster Stoffe infolge des Wachstums und Stoffwechsels von Mikroorganismen in einem Gewässer entstanden sind. Sie sind meistens geschichtet und bestehen oft aus sehr fein geschichtetem Kalkstein. Die innere Struktur der Stromatolithen ist verschieden: flache, ebene Schichten, nach oben gewölbte Schichten, mehrere gewölbte Schichtpakete nebeneinander (Säulenform). Einige erinnern mit ihrem schaligen Aufbau aus Knollen, Säulen oder welligen Lagen äußerlich an Blumenkohl.

Die ältesten bekannten Fossilien sind größtenteils Stromatolithen, und sie könnten demnach Hinweise darauf liefern, wie sich Leben von sehr einfachen zu komplexeren Formen entwickelt hat.
(Quelle: Wikipedia)

Irdische Stromatolithe als solche zu bestimmen, ist anhand ihrer Morphologie, also ihrer äußerlichen Merkmale möglich. Werden allerdings – wie bereits zuvor geschehen – ähnliche oder gar nahezu gleichartige Strukturen auf den Aufnahmen der Mars-Rover entdeckt, begegnen selbst ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet heuet erneut jener Skepsis, mit der sich auch schon Kalkowsky vor rund 110 Jahren konfrontiert sah, wenn sie auch diese Merkmale als wahrscheinlich biogen und damit als Hinweise oder gar Beweise für einstiges mikrobisches Marsleben interpretieren.

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Dass seine Interpretation zahlreicher Sedimentstrukturen auf dem heutigen Mars, wie sie auf den teils hochauflösenden Aufnahmen der Mars-Rover zu sehen sind, weit über das Beschreiben von „Ähnlichkeiten“ hinausgeht und sich seine Schlussfolgerungen damit einem vorschnellen Pareidolie-Vorwurf entziehen (Anm. GreWi: Als „Pareidolie“ bezeichnet die Wahrnehmungspsychologie die Tendenz des menschlichen Gehirns, in chaotischen Mustern wie getrockneten Wasser- oder Brandflecken oder Gesteins- und Wolkenformationen, bekannte Strukturen, Formen und Bilder zu erkennen), hat Vincenzo Rizzo gemeinsam mit verschiedenen Kollegen bereits in mehreren früheren Arbeiten und Artikeln in wissenschaftlich anerkannten Fachartikeln gezeigt und diskutiert.

Opportunity Rover’s image analysis: Microbialites on Mars?
Bianciardi, et al. Int’l J. of Aeronautical & Space Sci. 2014, 15(4), 419–433 (2014), DOI:10.5139/IJASS.2014.15.4.419
Microbialites at Gusev Crater
Mars. Bianciardi, et al., Astrobiol Outreach 2015, DOI: 10.4172/2332-2519.1000143
Structural parallels between terrestrial microbialites and Martian sediments: are all cases of‘Pareidolia’?
International Journal of Astrobiology, 2017, Page 1 of 20 DOI: 10.1017/S1473550416000355

Auf Aufnahmen eines Aufbruches, den der Curiosity-Rover am Missionstag 890 untersuchte, zeigen sich kleine Strukturen (A, A1), deren Merkmale gleich vielfach irdischen Thromboliten (B) gleichen. Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA
Auf Aufnahmen eines Aufbruches, den der Curiosity-Rover am Missionstag 890 untersuchte, zeigen sich kleine Strukturen (A, A1), deren Merkmale gleich vielfach irdischen Thromboliten (B) gleichen.
Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA

Warum die beschriebenen Sedimentstrukturen auf dem Mars nicht nur wie irdische biogene Strukturen aussehen, sondern sich auch Bedingungen auf dem frühen Mars in dieses Szenario einpassen, beschreibt der Wissenschaftler in Abstrakt seines aktuellen Fachartikels wie folgt:

„Während der Noachianischen Periode vor 4,1 bis 3,7 Milliarden Jahren ähnelte die Marsumgebung annähernd der gegenwärtigen Erde: Flüssiges Wasser war in einer neutralen, Umgebung weit verbreitet, vulkanische Aktivität und Wärmefluss sowie atmosphärischer Druck und Temperaturen waren höher als heute. Diese Bedingungen könnten die Ausbreitung des Lebens auf der Oberfläche des damaligen Mars begünstigt haben.

Die Erkenntnis, dass unterschiedliche Planeten und Monde felsiges Material durch Meteoriteneinschläge austauschen, legt nahe, dass die Entstehung von Leben nicht ausschließlich auf einen einzelnen Planetenkörper begrenzt sein muss, sondern das Leben an Bord von Felsfragmenten durch das Sonnensystem reisen könnte.

Mehrere frühere Studien haben bereits gezeigt, dass sich auf dem Mars positive Entsprechungen irdischer Mikrobialithen (Anm. GreWi: laminiertes Gestein aus verfestigten mikrobiellen Matten) aus der Noachischen und Hesperianischen Periode finden. Diese Studien beziehen sich jedoch überwiegend auf mikro- und mesoskopische Skalenstrukturen (Anm. GreWi: also auf Kleinststrukturen), weswegen Zweifel hinsichtlich ihrer Zuordnung als biogen bestehen. Analysen von Tausenden von Bildern der Mars-Rover Spirit, Opportunity und Curiosity haben nun eine Auswahl von Bildern ergeben, die ringförmige, domale und koniforme Makrostrukturen zeigen, die irdischen Mikrobialithen wie die ringförmigen Stromatolithen des Thetis-Sees ähneln (siehe Titelabbildung) oder an gestapelte Zapfen aus der Gruppe der irdischen Conophyton erinnern. Letztere wurden insbesondere von Curiosity im ‚Sheepbed‘-Tongestein und damit in demselben geologischen Aufbruch entdeckt, in dem auch alte organische Moleküle nachgewiesen wurden und wo bereits zuvor das Aufkommen von mikrobiell induzierten Sedimentstrukturen (MISS) und von vielen weiteren mikrobialitischen Mikro-, Meso- und Makrostrukturen vermutet wurde.“

Kritikern einer biogenen Deutung der diskutierten Strukturen stellt Rizzo schon vorweg die Beobachtung entgegen, dass alternative, abiotische Erklärungen zwar untersucht werden, dass es aber schwerfalle, einige dieser Strukturen im Zusammenhang mit normalen (rein geologischen, also abiotischen) Sedimenten und deren (syngenetischen wie auch epigenetischen) Entstehungsprozessen zu erklären.

Auf diesen Curiosity-Aufnahmen vom 1256 Missionstag (sol) zeichnen sich auf der Gesteinsoberfläche kleine Strukturen ab, deren Körper gebogen sind, spitz zulaufen und stark an irdische biogene Strukturen erinnern (B und C; Vergrößerungen: D, E). Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA
Auf diesen Curiosity-Aufnahmen vom 1256 Missionstag (sol) zeichnen sich auf der Gesteinsoberfläche kleine Strukturen ab, deren Körper gebogen sind, spitz zulaufen und stark an irdische biogene Strukturen erinnern (B und C; Vergrößerungen: D, E).
Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA

Tatsächlich sind die von Rizzo aufgezeigten Ähnlichkeiten zwischen Strukturen auf dem Mars erstaunlich und sie versetzen uns in eine Ähnliche Situation wie 1908, als Kalkowsky in den irdischen Sedimentformationen das Ergebnis einstiger biologischer Prozesse erkannte.

„Auch auf dem Mars sollten wir die Möglichkeit biotischer Morphologien nicht vorschnell von uns weisen, gerade weil wir hier (auf dem Mars) Morphologien sehen, die mit biotischen Merkmalen irdischer Sedimentstrukturen übereinstimmen, für die es keine physisch-chemischen Erklärungen im Sinne normaler Sedimentation gibt“, erklärt Rizzo und führt dazu weiter aus: „Tatsächlich verweise ich auf mehrere Aufnahmen (der Mars-Rover) von großen Strukturen, bei denen es sich um die Signaturen einstigen mikrobischen Lebens auf dem Mars handeln könnte.“

Laut dem Wissenschaftler zeigen die Aufnahmen Beweise für Mikrobialithen in einem breiten Spektrum geometrischer Strukturen, wie sie von der Erde bekannt sind. „Wir haben natürlich auch abiotische Erklärungen für diese Formen diskutiert, kommen aber zu dem Schluss, dass diese gezwungen und unnatürlich wären“, erläutert Rizzo. „Besonders die Struktur in Abb. 8 (siehe Abb. f.), mit einer konischen Basis von der übereinanderliegende Schichtungen abgehen, ist am schwierigsten durch abiotische Prozesse zu erklären.“

Konische Strukturen, die vom Mars-Rover “Curiosity” an einem Tongesteinsaufbruch am Missionstag „sol 78“ entdeckt und fotografiert wurden. Der Maßbalken entspricht 5 Zentimetern. Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA
Konische Strukturen, die vom Mars-Rover “Curiosity” an einem Tongesteinsaufbruch am Missionstag „sol 78“ entdeckt und fotografiert wurden. Der Maßbalken entspricht 5 Zentimetern.
Quelle/Copyright: V. Rizzo, International Journal of Astrobiology, 2020 / NASA

Zudem sei die Vorstellung von mikrobiotischen Fossilien auf dem Mars alles andere als abwegig: „Diese Bilder sollten schließlich gerade vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass die Anwesenheit von Mikrobialithen in einstigen Mars-Seen eine logische Konsequenz der Noachischen und frühen Hesperianischen Periode auf dem Mars wären.“

Für Rizzo gehören denn auch Stromatolithen immer dann zu den besten Kandidaten bei der Suche nach außerirdischem Leben, wenn diese Suche – wie derzeit noch angesichts des Mars – auf die Analyse von makroskopischen Aufnahmen begrenzt ist. Zudem müsse man natürlich auch mit Formen dieser Fossilien rechnen, die auf der Erde unbekannt sind, denn „schließlich bilden auch auf der Erde moderne Stromatolithen nur einen kleinen Teil der großen Formenvielfalt organischer Sedimente ab.“

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„Die Studie zeigt also eine Auswahl von Makrostrukturen auf dem Mars, von denen einige biologischen Ursprungs sein könnten und schlägt vor, Mikrobialithe und fossile Algen als beste Erklärungen und zugleich am meisten geeignete Kandidaten für die Suche nach Leben auf der Marsoberfläche zu werten“, fasst Rizzo sein aktuelles Paper abschließend zusammen.

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Quelle: Cambridge University Press

© grenzwissenschaft-aktuell.de

 

 

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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