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Planet Nine: Beweise für weiteren Riesenplaneten im Sonnensystem

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Künstlerische Interpretation des mutmaßlich neuen, neunten Planeten. Die Forscher vermuten, dass es sich um einen Planeten handelt, der Uranus und Neptun gleichen könnte (Illu.)

Copyright: Caltech/R. Hurt (IPAC)

Pasadena (USA) – Zwei US-Astronomen präsentieren handfeste Beweise für die Existenz eines bislang unbekannten Riesenplaneten im Sonnensystem, der unsere Sonne auf einer exzentrischen Umlaufbahn umkreist. Direkt beobachtet wurde der Planet bislang jedoch noch nicht.

Wie der Assistenzprofessor Konstantin Batygin und Professor Mike Brown vom California Institute of Technology (Caltech) aktuell im Fachjournal „Astronomical Journal“ (DOI: 10.3847/0004-6256/151/2/22) berichten, lassen sich laut ihren mathematischen Berechnungen und umfangreichen Computersimulationen die ungewöhnlichen aber gemeinsamen Umlaufbahnmerkmale der sechs bislang bekannten äußersten Objekte im Sonnensystem (Sedna, „2012GB174“, „2004VN112“, „2013RF98“, „2007TG422“ und „2012VP113“) am wahrscheinlichsten mit der Anwesenheit eines weiteren großen Planeten im äußeren Sonnensystem erklären.

Auf den Spitznamen „Planet Nine“ (Planet Neun) getauft, soll dieser Planet das etwa Zehnfache der Masse unserer Erde aufweisen, die Sonne jedoch 20 mal weiter entfernt umkreisen als der äußerste Planet Neptun. Auf diese Weise würde der neue „Neunte Planet“ 10.000 bis 20.000 Jahre für eine Umrundung der Sonne benötigen.

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„So sich unsere Berechnungen und Simulationen bestätigen, wäre dies tatsächlich ein neunter wirklicher Planet“, so Brown. „Seit der Antike wurden bislang lediglich zwei Planeten im Sonnensystem entdeckt. Das hier könnte tatsächlich der dritte sein. Dabei handelt es sich schon um einen ganz schön großen Brocken unseres Sonnensystems, den es immer noch (direkt) nachzuweisen gilt. Das ist alles sehr aufregend.“

Die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Übereinstimmung der Ausrichtungen der elliptischen Umlaufbahnen transneptunischer Objekte beziffern die beiden Wissenschaftler auf 0,007 Prozent.

Laut den beiden Astronomen, sei der mutmaßlich neunte Planet mit der 5.000-fachen Pluto-Masse auf jeden Fall groß genug, als dass sich jegliche Diskussion um die Frage nach dem Planetenstatus erübrigen sollte: „Im Gegenzug zu den Objekten der Klasse der Zwergplaneten, dominiert ‚Planet Nine‘ mit seiner Gravitation seine Nachbarschaft im Sonnensystem. Tatsächlich dominiert er sogar eine größere Region, wie sämtliche anderen bekannten Planeten“, so Brown und führt weiter aus: „Das alles macht ihn sogar zum ‚planetigsten‘ aller Planeten im gesamten Sonnensystem.“

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Die Umlaufbahnen der bislang bekannten sechs entferntesten Objekte im äußeren Sonnensystem, bzw. im Kuiper-Gürtel, weisen eine bislang rätselhafte gemeinsame Ausrichtung zu jener der Planetenebene auf. Ein Planet mit der rund 10-fachen Erdenmasse und auf einer entgegengesetzten, weiten und exzentrischen Umlaufbahn, würde diese merkwürdige Gemeinsamkeit erklären . (Illu.)

Copyright: Caltech/R. Hurt (IPAC); [Diagram created using WorldWide Telescope.]

In ihrem Fachartikel zeigen Batygin und Brown, wie „Planet Nine“ gleich eine ganze Anzahl von bislang rätselhaften Merkmalen der bislang bekannten sechs entferntesten Objekte im sogenannten Kuiper-Gürtel erklären kann. „Obwohl wir selbst zunächst wirklich skeptisch waren, ob dieser Planet überhaupt existieren könnte, haben wir seine Umlaufbahn und die Konsequenzen für das äußere Sonnensystem weiterhin analysiert“, berichtet Batygin. „Dabei kamen wir zunehmend zu der Überzeugung, dass dieser Planet wirklich dort draußen sein muss. Seit mehr als 150 Jahren gibt es nun also wieder solide Beweise dafür, dass der die Planetenzählung unseres Sonnensystems unvollständig ist.“

Während die Forscher zunächst vermuteten, dass es vielleicht genügend bislang unbekannte Objekte im Kuiper-Gürtel geben könnte, durch die gemeinsamen Merkmale erklärt werden könnten, zeigte sich schnell, dass der Kuiper-Gürtel in diesem Fall das 100-Fache seiner bislang vermuteten Masse haben müsste.

Schlussendlich zeigten die Simulationen, dass die Merkmale durch einen Planeten erklärt werden können, dessen Umlaufbahn entgegengesetzt zu jenen der transneptunischen Objekte verläuft und dessen dichteste Sonnenannäherung (das sog. Perihel) 180 Grad gegenüber jener der besagten Kuiper-Gürtel-Objekte (Kuiper-Belt-Objects = KBOs) sowie der bekannten Planeten des Sonnensystems liegt.

01962Konstantin Batygin (l.) und Mike Brown.
Copyright: Lance Hayashida/Caltech

„Normalerweise würde man zunächst meinen, dass eine solche Orbitalgeometrie nicht stimmen kann und eine solche Umlaufbahn schon deshalb nicht über längere Zeiträume stabil sein kann, da ein solcher Planet zwangsläufig irgendwann mit den von ihm beeinflussten Objekten zusammenstoßen müsste“, erläutert Batygin. „Aber durch einen als ‚Resonanz der mittleren Bewegung‘ bezeichneten Mechanismus verhindert die entgegensetzt ausgerichtete Umlaufbahn des neunten Planeten eine solche Kollision und hält die Objekte selbst gemeinsam ausgerichtet. (…) Tatsächlich kollidieren sie auf diese Weise nie miteinander.“

Allerdings gibt der Planetenwissenschaftler auch zu, dass er selbst angesichts dieser Simulationsergebnisse noch skeptisch war: „Schließlich hatte ich noch nie zuvor derartiges in der Himmelsmechanik gesehen.“ Doch je mehr die Forscher auch die weiteren Konsequenzen des Planeten ergründeten, desto mehr schwanden die Zweifel: „Eine gute Theorie sollte nicht nur jene Dinge erklären, die man selbst mit ihr erklären will. Sie sollte zusätzlich auch Dinge erklären, die man ursprünglich gar nicht erklären wollte und sie sollte Vorhersagen ermöglichen, die dann auch überprüft werden können.“

Tatsächlich kann die Existenz von „Planet Nine“ mehr als nur die Ausrichtungsmerkmale der entfernten Kuiper-Gürtel-Objekte erklären. So etwa auch die mysteriösen Umlaufbahnen der beiden KGOs Sedna und 2012 VP113, die sich – ungleich zahlreichen anderen Standardobjekten im Kuiper-Gürtel, Neptun nie wirklich annähern. Wie Batygin und Brown nun zeigen können, würde die Anwesenheit von „Planet Nine“ geradezu automatisch Objekte mit derartigen Umlaufbahnen erzeugen.

Darüber hinaus sagen die Planet-Nine-Simulationen sogar den Umstand voraus, dass es im Kuiper-Gürtel Objekte geben sollte, deren Umlaufbahnen zur Ebene der Planeten nahezu senkrecht geneigt wären. „Als wir diese Vorhersage dann nahmen, bemerkten wir, dass vier genau solcher Objekte in den vergangenen drei Jahren tatsächlich gefunden wurden. Wir haben dann die Positionen dieser Objekte und ihre Umlaufbahnen übernommen und bemerkt, dass sie exakt mit den Vorhersagen unserer Simulation übereinstimmten“, so Brown. „Als wir das bemerkt haben, ist mir der Kiefer buchstäblich bis zum Boden geklappt.“

Zur Frage, woher „Planet Nine“ stammt, vermuten Batygin und Brown, dass es sich um einen sogenannten Planetenkern handeln könnte, wie sie kurz nach der Entstehung des Sonnensystems auch die Grundlage der vier Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun gebildet haben sollen. „Es gibt aber keinen ersichtlichen Grund, warum es statt vier nicht auch fünf solcher Kerne gegeben haben könnte. ‚Planet Nine‘ könnte eben dieser fünfte Kern sein, der sich einst Jupiter oder Saturn so dicht annäherte, dass er von diesen auf seine entfernte und exzentrische Umlaufbahn katapultiert wurde.“

Während Batygin und Brown ihre Berechnungen und Simulationen weiterhin verfeinern, um noch genauere Informationen über die Umlaufbahn von „Planet Nine“ und darüber zu erhalten, wie dieser das äußere Sonnensystem beeinflusst, haben sie aber auch schon mit de direkten Suche nach „ihrem“ Planeten begonnen.

Allerdings ist bislang nur eine noch vergleichsweise grobe Umlaufbahn – nicht aber die mögliche Position des Planeten bekannt: „Sollte er sich derzeit in der Nähe seines Perihels befinden, so sollten Astronomen ihn in früheren Aufnahmen finden können. Befindet er sich aber auf seinem von der Sonne am weitesten entfernten Punkt (Apohel), so bräuchte es schon die weltweit größten Teleskope, wie etwa die Zwillingsteleskope des W.M. Keck Observatory und das Subaru Telescope auf dem Mauna Kea auf Hawaii. Befindet er sich derzeit irgendwo dazwischen, dann könnten auch viele andere und kleinere Teleskope ihn finden.“

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(DATA) JPL; BATYGIN AND BROWN/CALTECH; (DIAGRAM) A. CUADRA/SCIENCE

„Natürlich würde ich ihn gerne (als Erster) entdecken“, gesteht Brown ein. „Aber ich wäre natürlich auch froh, wenn es ein anderer tut. Deshalb haben wir unsere Untersuchungen und Ergebnisse auch schon jetzt veröffentlich. Wir wollen, dass es weitere Menschen inspiriert, und sie zur Suche anregt.“

Schlussendlich würde die Existenz von „Planet Nine“ auch erklären, warum sich unser bisheriges (Bild vom) Sonnensystem so stark von zahlreichen anderen bislang entdeckten Planetensystemen unterscheidet: „Die merkwürdigste Erkenntnis über unser eigenes Sonnensystem angesichts der Entdeckungen anderer Planetensysteme war die, dass es in den meisten dieser anderen Systeme auch Planeten gibt, die eine Masse zwischen jener der Erde und der des Neptun aufweisen (1-10 Erdenmassen, sog. Super-Erden)“, erläutert Batygin. „Bislang haben wir gedacht, dass in unseren Sonnensystem gerade dieser häufigste Planetentypus fehlen würde – und haben uns darüber gewundert. Jetzt scheint es so, dass wir doch gar nicht so viel anders sind.“

„Jetzt können wir uns daran machen, diesen Planeten zu suchen und unserem Sonnensystem seinen neunten Planeten wieder zurück geben – einen wirklichen Planeten“, kommentiert Brown abschließend, der geradezu federführend an der Demontage von Pluto als einst neuntem Planeten beteiligt war.

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Andreas Müller
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