Wie für Leben gemacht: Forscher schlagen Test des anthropischen Prinzips vor
Davis (USA) – Laut dem anthropischen Prinzip ist unser Universum geradezu fein abgestimmt, um Leben zu ermöglichen. Erstmals 1973 vorgeschlagen, hat das Modell seither zahlreiche Debatten ausgelöst. Nun schlagen zwei Wissenschaftler erstmals eine Möglichkeit vor, wie dieses Prinzip experimentell getestet werden könnte.
In einer kommenden Ausgabe des „Journal of Cosmology and Astroparticle Physics“ und vorab via ArXiv.org beschreiben der Physiker Nemanja Kaloper von der University of California in Davis und Prof. Alexander Westphal vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) ihren Ansatz und erläutern hierzu zunächst:
„Das anthropische Prinzip (AP) kann auf verschiedene Weisen formuliert werden. Diese reichen von einer einfachen Beschreibung der Tatsachen – ‚Wenn wir es beobachten können, hat sich das Universum unter Bedingungen entwickelt, die das Entstehen intelligenten Lebens ermöglichen‘ (bekannt als das schwache AP) – bis hin zu einer etwas radikaleren Interpretation: ‚Das Universum musste sich so entwickeln, um zu unserer Existenz zu führen.‘ Diese stärkere Interpretation (starke AP) betritt oft metaphysisches Terrain, da es eine Art ‚Design‘ suggeriert und über die Grenzen wissenschaftlicher Untersuchungen des Universums hinausgeht.“
Sicherlich das Hauptproblem des anthropischen Prinzips aus wissenschaftlicher Sicht liegt darin, dass es als wissenschaftliches Werkzeug zunächst wenig nützlich ist, da es keine testbaren, quantifizierbaren Vorhersagen liefert, die sowohl unser Wissen erweitern, als auch das Prinzip überprüfen könnten. „Ohne solche Vorhersagen bleibt es aber eher eine philosophische Vermutung als eine wissenschaftliche Hypothese“, so Kaloper und Westphal.
„Dennoch lege das AP nahe, dass unser Universum, um als lebensfreundlicher Ort für kohlenstoffbasiertes Leben zu entstehen, mit einer Reihe spezifischer Anfangsbedingungen begonnen haben muss. Dies schließen wir aus der Beobachtung von Konstanten, die in den Gleichungen zur Beschreibung des Universums verwendet werden – wie die Gravitationskonstante, die Elektronenladung und die Planck-Konstante – die ‚genau richtig‘, also so sein müssen, wie sie sind. Andernfalls hätten wir ein ganz anderes und vor allem lebensfeindliches Universum.“
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Indem man also die durch das AP implizierten Anfangsbedingungen genau festlegt und berechnet, wie sich das Universum nach heutigen physikalischen Modellen zu seinem jetzigen Zustand entwickelt hätte, könnte man das Ergebnis mit tatsächlichen astronomischen Beobachtungen vergleichen, so das Forscherduo. „Jegliche Abweichungen zwischen Theorie und Realität würden die Gültigkeit des AP infrage stellen.“ Erstmals liefern Westphal und kaloper damit also spezifische Vorhersagen, die in den kommenden Jahren durch Beobachtungen bestätigt werden könnten.
Hintergrund
Um den Vorschlag der Wissenschaftler besser zu verstehen, müssen einige Schlüsselkonzepte der kosmologischen Forschung erläutert werden:Kosmische Inflation
In den frühesten Momenten seiner Existenz durchlief das Universum eine Phase schneller Expansion: Innerhalb von nur 10⁻³⁶ Sekunden wuchs es von einer winzigen Größe (fast null) zu einem makroskopischen Maßstab (einige Theorien sprechen von der Größe einer Weintraube oder eines Fußballs). Danach verlangsamte sich die Expansion und verläuft seither in etwa in der Rate, die wir heute beobachten.Die Physik während dieser frühen Phase war höchst ungewöhnlich und wurde von Quanteneffekten (die das unendlich Kleine regeln) dominiert, die die spätere Entwicklung beeinflussten und die Bildung von Strukturen wie Galaxien und Sternen ermöglichten. Direkte Beweise für die kosmische Inflation fehlen zwar noch, jedoch gilt sie als robuste Theorie, deren Bestätigung in den kommenden Jahren erwartet wird.
Dunkle Materie
Beobachtungen zeigen, dass ein erheblicher Teil des Universums – etwa fünf Sechstel der Materie – aus etwas besteht, das wir nicht direkt beobachten können. Wir nennen es dunkle Materie, aber ihre wahre Natur ist unbekannt. Viele Hypothesen wurden vorgeschlagen und warten auf experimentelle Bestätigung.Axionen
Eine der Kandidaten für dunkle Materie sind Axionen. Diese extrem leichten Teilchen – viel leichter als ein Elektron – wurden ursprünglich eingeführt, um ein quantenphysikalisches Phänomen, die Verletzung der CP-Symmetrie, zu erklären. Axionen könnten während der kosmischen Inflation in großer Zahl entstanden sein und besitzen Eigenschaften, die denen der dunklen Materie ähneln. Beobachtungen von schwarzen Löchern könnten ihre Existenz in naher Zukunft bestätigen.
(Quelle: Kaloper & Westphal)
Um das AP zu testen „könnten beispielsweise schon mittelfristig mit dem LiteBIRD-Satelliten der japanischen Raumfahrtagentur JAXXA primordiale Gravitationswellen nahe den aktuellen Grenzenwerten entdeckt, wie sie einer hochskaligen Inflation entsprechen.“ Supermassereiche Schwarze Löcher könnten auf Anzeichen für ultraleichte Axione untersucht werden, da Letztere das Rotations-Masse-Verhältnis von schwarzen Löchern würden. „Sollten jedoch zukünftige Experimente zeigen, dass dunkle Materie nicht aus ultraleichten Axionen besteht, wäre damit beispielsweise das Anthropische Prinzip widerlegt.“ Sollte dunkle Materie hingegen aus Axionen bestehen, „hätte das Anthropische Prinzip den Test wiederum bestanden“
„Das Interessante ist, dass beide Optionen in nicht allzu ferner Zukunft experimentell überprüft werden könnten“, kommentiert Kaloper abschließend. „Sollte das Anthropische Prinzip jedoch scheitern, könnte dies darauf hinweisen, dass die Anfangsbedingungen des Universums von bislang unbekannten Regeln bestimmt werden oder dass die wahre Kosmologie noch komplexer ist, als wir dachten.“
Recherchequelle: SISSA, ArXiv.org
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