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Wie wir Menschen unsere eigenen Erinnerungen manipulieren

Symbolbild: Erinnerungen. Copyright: congerdesign (via Pixabay.com) / Pixabay License
Symbolbild: Erinnerungen.
Copyright: congerdesign (via Pixabay.com) / Pixabay License

Bochum (Deutschland) – Wir Menschen erinnern uns an vergangene Erlebnisse mithilfe des sogenannten episodischen Gedächtnissystems. Dabei können wir Erinnerungen auf drei Ebenen manipulieren. Zu diesen Erkenntnissen kommen Neuophilosophen der Ruhr-Universität Bochum in einer theoretischen Arbeit. Die Forscher erklären, wie Menschen vergangene Erlebnisse ins Gedächtnis rufen und dabei verändern. „Erinnerungen an wichtige Ereignisse konstruieren wir oft so, wie sie uns in den Kram passen.“

Wie Dr. Roy Dings und Prof. Dr. Albert Newen vom Institut für Philosophie II der Ruhr-Universität Bochum (RUB) aktuell in der Fachzeitschrift „Review of Philosophy and Psychology“ (DOI: 10.1007/s13164-021-00581-2) berichten, erinnern sich Erwachsene vor allem an bedeutende Erlebnisse, die mit besonders positiven oder besonders negativen Gefühlen verknüpft waren, etwa einen besonderen Urlaubstag, die Führerscheinprüfung oder die Hochzeit: „Die Erinnerung ist dabei kein fotografischer Ausschnitt der Vergangenheit, sondern ein Konstrukt, das zwar von der Wahrnehmung eines zurückliegenden Ereignisses gespeist ist; aber beim Einspeichern und vor allem beim Abruf der wahrgenommenen Situation setzen vielfältige Konstruktionsprozesse ein. Wir machen uns also unsere erinnerte Welt, ganz so, wie sie uns am liebsten passt.

Die Konstruktion des vergangenen Szenarios können Menschen dabei auf drei Ebenen der Verarbeitung beeinflussen, was normalerweise automatisch und unbewusst geschieht. Die Quelle des Einflusses ist das narrative Selbstbild: „Wenn wir uns mit Freunden unterhalten, erzählen wir über uns selbst genau das, was uns wichtig ist“, sagt Roy Dings. „Diese Aspekte bezeichnen wir als das narrative Selbstbild.“

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Die Autoren, wie auch die Mitglieder der in Bochum angesiedelten Forschungsgruppe „Constructing Scenarios of the Past“, gehen davon aus, dass eine Erinnerung dann entsteht, wenn durch einen Reiz eine Gedächtnisspur aktiviert wird: Die Hochzeitseinladungskarte an der Pinnwand aktiviert beispielsweise eine Gedächtnisspur von der Hochzeitstafel. Die Situation wird allerdings – gemäß Bochumer Modell zum episodischen Erinnern – dann noch angereichert durch allgemeines Hintergrundwissen, welches in dem semantischen Gedächtnis verfügbar ist. Mit der Zusammenfügung von Gedächtnisspur und Hintergrundwissen entsteht ein lebhaftes Erinnerungsbild, etwa von der Begrüßung durch die Braut, und schließlich erzählt man, wie man das Ereignis erlebt hat.

Dabei beschreiben die Wisenschaftler drei Ebenen der Beeinflussung:

„Zum Prozess der Szenario-Konstruktion gehören der Reiz, der die Erinnerung auslöst, der eigentliche Verarbeitungsprozess und das Ergebnis, also das Erinnerungsbild und die damit verknüpfte Beschreibung. Alle drei Komponenten können Menschen beeinflussen.“

Wie die Autoren erläutern, „neigen wir erstens dazu, den auslösenden Reiz für positive Erinnerungen gezielt zu suchen und für negative Erinnerungen zu vermeiden. Sie stellen zum Beispiel ein Hochzeitsfoto auf den Bürotisch, meiden aber Begegnungen mit Personen, mit denen unangenehme Erinnerungen verknüpft sind.

Zweitens kann das Selbstbild auch beeinflussen, welche Hintergrundinformationen herangezogen werden, um die sparsame Gedächtnisspur zu einer lebendigen Erinnerung anzureichern; das bestimmt erst das reiche Erinnerungsbild.

Drittens kann die Beschreibung, die mit einem Erinnerungsbild verknüpft wird, sehr konkret oder eher abstrakt sein. Das Erinnerungsbild kann konkret entweder als der Beginn der Ansprache durch die Braut oder abstrakter als der Anfang des Zusammenwachsens zweier Familien beschrieben werden. Je abstrakter die verknüpfte Beschreibung, desto eher erinnert sich ein Mensch an das Erlebte aus einer Beobachterperspektive, also als Objekt in der Szene, und desto weniger intensive Gefühle sind damit verbunden. Die vom Selbstbild gewählte Beschreibungsebene beeinflusst das Erinnerungsbild und wie es erlebt wird – und zwar insbesondere, in welcher Form es dann weiter festgehalten wird.“

„Wir formen unsere Erinnerungen also im Prinzip so, dass wir unser positives Selbst schützen und die Herausforderungen durch negative Erinnerungen, die nicht zu unserem Selbstbild passen, gerne abmildern“, resümiert Albert Newen abschließend.




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Studie: Wir erinnern uns auch, um die Zukunft vorherzusagen 27. Juli 2021

Recherchequelle: RUB

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Andreas Müller
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