„Wir brauchen gute Daten“ – Ein Rückblick auf das öffentliche Treffen der unabhängigen NASA-UFO/UAP-Studie
Washington (USA) – Am Mittwoch den 31. Mai 2023 wurde einmal mehr UFO-Geschichte geschrieben: Erstmals trafen sich die Mitglieder einer von der NASA einberufenen Studie über unidentifizierter Flugobjekte und anomale Phänomene (UFOs/UAP) zu einem öffentlich und live übertragenen Arbeitstreffen, um Positionen und den Stand der Studie zu präsentieren.
UPDATE 3. Juni 2023, 13h: Der folgenden Bericht wurde um die Darstellung weiterer Aussagen des AARO-Direktors Kirkpatrick zu zugelförmigen UAP ergänzt. Siehe UPDATE-Hinweis im Text…
– Lesen Sie HIER, HIER, HIER und HIER die Hintergründe zur NASA-Studie
Videomitschnitt des Meetings der UAPIST der NASA vom 31. Mai 2023
Zu Beginn machten der organisatorische und der wissenschaftliche Leiter der Studie, Dr. Daniel Evans und Dr. David Spergel, einmal mehr deutlich, was man von der aktuellen NASA-Studie erwarten darf und was nicht: Es gehe in der aktuellen Studie nicht um eine Analyse und konkrete Bewertungen aktueller oder vergangener UFO-Sichtungen und Ereignisse. Es gehe lediglich darum, die Möglichkeiten der NASA zu eruieren, das enorme Potenzial der weltweit größten Wissenschaftsinstitution, beispielsweise Erdbeobachtungssatelliten und Weltraummissionen, auch zur Untersuchung von UFOs bzw. UAP zu nutzen.
„Wir werden uns hier keine unscharfen Bilder anschauen. Was wir erarbeiten, ist ein Fahrplan und sind Vorschläge für die NASA, wie sie sich zukünftig an der Untersuchung von UFOs beteiligen kann und sollte“, so Evans. Ein weiteres Ziel der Studie sei es, das Stigma rund um UAP/UFOs abzubauen, in dem man sich dem Phänomen mit bester Wissenschaft und entsprechend hochwertigen Daten annehmen möchte. Erneute wurde zudem unterstrichen, dass sich die NASA auf unklassifizierte Daten stützen werde, dass man größtmögliche Transparenz anstrebe und mit dem öffentlichen Abschlussbericht zur Studie vermutlich Ende Juli zu rechnen sei.
Ebenfalls von Beginn an wurden aber auch die Hauptprobleme der Studie formuliert, die sich in der Folge wie ein roter Faden repetitiv durch die Veranstaltung zogen: „Bislang fehlt es an hochwertigen Daten. Bisherige UFO-Berichte beruhen meist auf schlechten oder unkalibrierten Daten, weil Augenzeugenberichte alleine nicht ausreichen und es nicht ausreicht, irgendwelche Instrumente einzusetzen, wenn diese nicht auch an die jeweiligen Bedingungen angepasst sind und entsprechend korrekt genutzt werden.“
Zudem zeigte sich das Panel der anwesenden Experten wiederholt einig darüber, dass man eigentlich gar nicht genau wisse, was man eigentlich suche. „Was genau sind UAP? Was meinen wir mit Anomalien? Was ist überhaupt die Nadel, die wir im Heuhaufen und was genau ist unser Heuhaufen?“
Obwohl die NASA selbst immer wieder unterstreicht, dass es sich bei der Studie um eine gänzlich unabhängige Studie handelt und man unklassifizierte Daten nutzen möchte – Daten also, die von zivilen und nicht von militärischen Instrumenten stammen, – war auffällig, dass der zeitlich größte Anteil des Treffens dem Vortrag von Dr. Sean Kirkpatrick gewidmet war, dem Leiter der UFO/UAP-Untersuchungseinheit des US-Verteidigungsministeriums, der „All-Domain Anomaly Resolution Office“ (AARO). Dieser wiederholte jedoch mehr oder weniger jene Aussagen, die er bereits am 19. April 2023 vor dem US-Senatsunterausschusses dargelegt hatte (…GreWi berichtete).
Neben den bereits bekannten Aussagen und Bewertungen hatte Kirkpatrick seine Daten allerdings aktualisiert. Diese Facette seines Vortrages dürfte auch einer der wenigen Teile der gestrigen Veranstaltungen gewesen sein, die thematisch Interessierten ansatzweise neue Informationen liefern konnte:
Hatte Kirkpatrick im vergangenen April noch von rund 650 vorliegenden untersuchten Fällen gesprochen, so hat sich diese Anzahl bis zum gestrigen Termin auf 800 erhöht. Entsprechend erhalte die AARO monatlich etwa hundert neue UFO-Meldungen.
„Fast alle dieser Meldungen können in der Folge rational erklärt werden“, so Kirkpatrick. Hierzu präsentierte er ein weiteres, bislang unveröffentlichtes aber mittlerweile erklärbares UFO-Video aus der Arbeit der AARO, das von den militärischen Zeugen zunächst als anomal eingestuft wurde, sich letztlich jedoch Fehlinterpretation der Sensorik und als in wesentlich größerer Entfernung als zunächst angenommen landende Flugzeuge herausstellte (s. folgende Infografik; ausführliche Informationen zu diesem Video finden Sie HIER).
Neben weiteren Fällen, zu denen keine ausreichenden Daten vorliegen, weise nur ein sehr geringer Anteil Eigenschaften auf, die als anomal bezeichnet werden könnten. Auf Nachfrage bezifferte der AARO-Leiter diese Fälle auf „2-5 Prozent“.
Für die Forschung ist dieser Wert aus zweierlei Gründen interessant: Zum einen, weil er sich mit den Ergebnissen zahlreicher früherer Studien und Untersuchungen deckt. Sei es den Air-Force-Untersuchungen „Blue Book“ aus den 1960-er Jahren, der Anzahl unerklärbarer Fälle der staatlich-französischen UFO-Forschungsgruppe GEIPAN oder der Auswertung der UFO-Sichtungsmeldungen, wie sie von zivilen UFO-Forschungsorganisationen weltweit immer wieder ermittelt werden. Zum anderen bedeutet dieser Wert, auch wenn er zunächst gering erscheint, dass alleine der AARO mittlerweile 16 bis 40 UFO-Vorfälle vorliegen, die trotz intensiver Analyse bislang nicht erklärt werden können und die zugleich anomale bzw. exotische Eigenschaften aufweisen. Für eine UFO-Untersuchungseinheit, die in ihrer heutigen Form selbst erst seit Juli 2022 (frühestens in Form der Vorgängereinheit UAPTF aber sei 2021) aktiv ist, ist das eine durchaus bemerkenswerte Anzahl.
UPDATE 2. Juni 2023, 13h: Interessant waren auch Kirkparticks Aussagen zur „am häuftigsten vom US-Militär und den Geheimdiensten beobachteten Erscheinungsform unerklärter UAP“. Hierz zeigte der AARO-Direktor erneut Aufnahmen eines solchen kugelförmigen Objekts, das 2022 von einer MQ-9-Drohne im Nahen Osten gefilmt wurde (…GreWi berichtete).
„Wir sehen hier eine kugelförmige, metallische Kugel (Orb). (…) Das ist ein typisches Beispiel für jene Dinge, die wir am meisten sehen. Wir sehen diese (Kugeln) weltweit und wir beobachten, dass diese (Objekte) sehr interessante Manöver vollziehen. Ich möchte jedoch unterstreichen, dass in diesem konkreten Beispiel (Naher Osten 2022) diese Kugel keine rätselhaften Fähigkeiten aufzeigte und keine Bedrohung für die Flugsicherheit darstellte. Während wir uns das weiterhin anschauen, habe ich jedoch keine weiteren Daten dazu als diese. Um hier also zu irgendeiner Form von Schlussfolgerungen kommen, brauchen wir mehr Zeit und wir brauchen bessere Daten zu ähnlichen Objekten, die wir dann analysieren können.“
…Ende UPDATE 3. Juni 2023
Erneut unterstrich Kirkpatrick auch die internationale Zusammenarbeit der AARO mit internationalen Partnern. Schon bald werde er den Five-Eyes-Vertretern über den Stand der Untersuchungen berichten. Unter den Five-Eyes versteht man ein Geheimdienstbündnis aus Australien, Kanada, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten. Deutschland scheint also weiterhin außen vor (…GreWi berichtete). Anm. GreWi: Interessant ist auch, dass niemand der anwesenenden Studienteilnehmer Kirkpatrick darum bat, auch nur einen der 16 bis 40 wirklich interessanten, weil nicht erklärbaren und anomalen Fälle vorzustellen oder dazu gar Bild- und Videomaterial zu zeigen.Ebenfalls interessant, das Kirkpatrick genau dies von jeher nicht selbst tut. Zwar zeigt er hier und da Beispiele aus der Arbeit der AARO, meits handelt es sich dabei jedoch um erklärbarer oder von der AARO erklärte Beispiele. Selbst die Aufnahmen eines kugelförmigen Flugobjekts, das von einer Reaper-Drohne im Nahen Osten gefilmt wurde (…GreWi berichtete) bezeichnet Kirckpatrick wzwar als nicht final geklärt, dafür aber als „nicht anomal“.
Gefolgt wurde Kirkpatricks Vortrag von den ebenfalls recht ausführlichen Erläuterungen eines Vertreters der US-amerikanischen Flugaufsichtsbehörde FAA darüber, in welcher Form und wie flächendeckend der US-Luftraum von unterschiedlichen zivilen Radareinrichtungen abgedeckt wird und werden kann. Hierbei zeigte sich, dass eine nahezu flächendeckende US-kontinentale Abdeckung erst ab einer Höhe von 10.000 Fuß möglich ist.
Für UFO-Interessierte ebenfalls interessant waren sie Ausführungen von Dr. Josh Semeter, der über die technischen Herausforderungen angesichts von UFO-Sichtungsmeldungen und Videobeweisen sprach. Anhand des mittlerweile berühmten „Go Fast“-Videos, das vom Pentagon als eines von drei Bordvideos von US-Navy-Piloten als „unidentifiziert“ veröffentlicht wurde, zeigte er, wie gerade auch Videoaufnahmen selbst Piloten täuschen können. Wie der Beiname des Videos bereits sagt, ging man ursprünglich davon aus, dass das Objekt sehr schnell über die Meeresoberfläche hinweg geflogen sei. Die Aufnahmen schienen dies visuell zu bestätigen.
Da es sich um einen Videomitschnitt der Bordsensorik handelt, lassen sich anhand der Aufnahmen auch weitere Daten zum Objekt und den beteiligten Geschwindigkeiten und Höhen ableiten. Anhand einfacher Geometrie und Mathematik kann somit aufgezeigt werden, dass sich das Objekt selbst überhaupt nicht schnell, sondern lediglich mit etwa 40 Meilen pro Stunde und damit in etwa mit der vorherrschenden Windgeschwindigkeit auf seiner Flughöhe fortbewegt hatte. Der Eindruck der hohen Geschwindigkeit geht lediglich auf den sogenannten Paralaxen-Effekt zurück, also der nur scheinbaren Bewegung eines Objektes durch verschiedene Positionen des Beobachters (Jetpilot) vor dem Hintergrund (in diesem Fall der Meeresoberfläche). Auf diese Weise wird das „Go Fast“-Objekt selbst zwar nicht identifiziert oder erklärt, doch reduziert sich ein zunächst angenommenes anomales Verhalten (in Form der vermeintlich extrem hohen Geschwindigkeit) auf eine Fluggeschwindigkeit, wie sie der Windgeschwindigkeit entspricht. Somit „könnte“ es sich hier also auch lediglich um einen Ballon handeln.
Während eine Vielzahl der Panel-Teilnehmer kaum wirklich Neues zur Debatte beitrugen und wiederholt die mangelhafte Qualität der bisherigen UAP-Daten bemängelte (Anm. GreWi: Ein Umstand, der primär in der Tatsache begründet liegt, dass die meisten Wissenschaftsinstitutionen wie auch die NASA, aber auch die Regierungen das UFO-Thema Jahrzehntelang vernachlässigt, ridikülisiert und damit stigmatisiert haben!), war es Mike Gold (s. Abb. r.), der sich immer wieder mit klaren und konstruktiven Positionen und Vorschlägen hervortat. So forderte er etwa ein „dauerhaftes UAP-Büro bei der NASA“ einzurichten und es nicht nur bei dieser einen oder einer Folgestudie zu belassen. Nur so könnten auch langfristig hochwertige Daten erlangt werden. „Wir müssen wissen und uns darüber einig sein, was wir überhaupt suchen und was wir mit UAP überhaupt meinen.“
Als eine Art „Gegenspieler“ zu Golds konkreten Forderungen nach einer aktiven UFO-Untersuchung durch die NASA und seiner Absage an nicht fortgeführte Studien und endlose Paneldiskussionen erwies sich der ehemalige NASA-Astronaut Scott Kelly heraus, dessen Redebeiträge sich darauf konzentrierten, Sichtungen von Piloten und Astronauten zu belächeln, wenn diese etwa einen Comic-Ballon oder die Internationale Raumstation (ISS) zunächst für ein UFO hielten. Tatsächlich hatte sich Kelly schon zuvor wiederholt abschätzig zum UFO-Thema geäußert und erklärte auch gestern, er habe in 20 Jahren Dienst bei der NASA niemanden getroffen, der ernsthaft von UFO-Sichtungen gesprochen habe (Anm. GreWi: Zahlreiche dokumentierte UFO-Sichtungsberichte von US-Kampfpiloten und Astronauten zeichnen hingegen ein anderes Bild).
Mit der abschließenden Bekundung, dass nicht die NASA sondern die AARO (also die UFO-Untersuchungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums!) die wichtigste Untersuchungseinheit für UAP in den USA sei und bleibe, untergrub der Studienleiter Dr. Davi Spergel nicht nur den Anspruch der NASA auf unklassifizierte Daten und deren transparente Kommunikation, sondern auch die Erwartungen vieler Beobachter, die sich von der NASA als einer der weltweit größten zivilen Wissenschaftseinrichtungen eine Führungsrolle bei der neuen Erforschung von UFO-Phänomenen erwartet hatten.
Nun bleibt es den Abschlussbericht der Studie und dessen Vorschläge an die NASA für den weiteren Umgang mit UFOs/UAP abzuwarten. Viel darüber, wie diese Empfehlungen aussehen werden, war gestern nicht zu erfahren. Deutlich wurde aber, dass sich das Ringen um die Deutungshoheit darüber, was UFOs bzw. UAP sind, ob sie ernst genommen und wissenschaftlich erforscht werden sollten oder auch nicht auch bei der NASA fortsetzt. Man darf also gespannt sein. Spergel selbst hat den Abschlussbericht seines Teams für „Ende Juli“ in Aussicht gestellt…
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
NASA erläutert Positionen zur UFO-Studie 31. Oktober 2022
Erster Austausch zw. UFO-Studiengruppe der NASA, UAP-Professor und Navy-Pilotin 25. Oktober 2022
NASA gibt Teammitglieder der eigenen UFO-Studie bekannt 21. Oktober 2022
Offiziell: NASA plant unabhängige Studie zu unidentifizierten Phänomenen im Luftraum 9. Juni 2022
Rück- und Ausblick: Was ist von der UFO-Studie der NASA zu erwarten? 10. Juni 2022
Zusammenarbeit zwischen NASA und US-UFO-Untersuchungsbüro 6. August 2022
NASA: “Das UFO-Thema ist uns wichtig und hat hohe Priorität” 19. August 2022
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NASA-Chef Bill Nelson bekräftigt seine Standpunkte über UFOs und außerirdisches Leben 23. Oktober 2021
NASA-Chef Bill Nelson äußert sich erneut über außerirdisches Leben, außerirdische Intelligenz und UFOs 24. Juli 2021
…Wissenschaftliche UAP/UFO-Forschung in Deutschland
Universität Würzburg: Erstmals ordentliche Vorlesung über unidentifizierte Himmelsphänomene an deutscher Uni 10. März 2023
Neue Informationen zu UFO-Untersuchungen und Positionen deutscher Ministerien und Behörden 7. März 2023
DGLR-Magazin „Luft- und Raumfahrt“ widmet sich akademischer Erforschung unidentifizierter Phänomene im Luftraum (UAP) 24. Februar 2023
Erste Schritte auf dem Weg zu Einrichtung einer offiziellen deutschen UAP-Forschungsstelle 13. Oktober 2022
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SkyCAM-5: Detektionseinheit sucht nach unidentifizierten Himmelsphänomenen über Universität Würzburg 20. Dezember 2021
Recherchequelle: NASA
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