Wurden vor 50 Jahren Mars-Mikroben ertränkt, statt sie nachzuweisen?
Berlin (Deutschland) – Die Idee, dass die Lande- und Laboreinheit der “Viking”-Marsmission Mitte der 1970er in den untersuchten Mars-Bodenproben vorhandene Spuren mikrobischen Lebens unbeabsichtigt abgetötet haben könnte, bevor sie nachgewiesen werden konnten, ist nicht neu. Nun präsentiert ein deutscher Astrobiologe ein weiteres Modell für das beschriebene Szenario. Die damaligen Daten sprechen durchaus für diese Vorstellung.
Wie Prof. Dr. Dirk Schulze-Makuch von der Technischen Universität Berlin aktuell in einem Essay auf BigThink.com erläutert, könnte der Fehler der NASA damals jener gewesen sein, den zu analysierenden Proben im Minilabor der Landeeinheit Wasser beizugeben. Auf diese Weise könnten eventuell vorhandene Mikroben ertränkt worden sein.
Schon 2018 hatten Forscher vom Ames Research Center der NASA und französische Kollegen um Melissa Guzman vom Atmosphere, Media, Spatial Observations Laboratory (LATMOS) im „Journal of Geophysical Research: Planets“ (DOI: 10.1029/2018JE005544) vermutet, dass die Proben unbeabsichtigt viel zu stark erhitzt und mögliche Hinweise auf Leben dabei unwiederbringlich zerstört wurden. Grund hierfür war der erst Jahrzehnte später vom Mars-Rover „Phoenix“ erbrachte Nachweis von Perchloraten im Marsboden. Diese könnten als Brandbeschleuniger gewirkt und die Temperaturen in den Brennöfen der Sonden derart stark erhöht haben, dass mögliche organische Stoffe verbrannt wären (…GreWi berichtete).
Wie Schulze-Makuch aktuell schreibt, hatten die Viking-Lander in den 1979-er Jahren tatsächlich zunächst kleine Mengen an chlorinierten organischen Stoffen detektiert, wie sie ursprünglich für irdische Kontamination gehalten wurden. Erst spätere NASA-Missionen konnten dies ausschließen, als entsprechenden Stoffe auch direkt auf dem Mars selbst und nicht nur in Brennkammern nachgewiesen werden konnten.
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„Leben auf dem Mars könnte sich an die trockene Umgebung angepasst haben, indem es innerhalb von Salzgesteinen existiert und Wasser direkt aus der Atmosphäre aufnimmt. Die Viking-Experimente, bei denen Wasser zu den Bodenproben hinzugefügt wurde, könnten diese potenziellen Mikroben überfordert und zu ihrem Untergang geführt haben“, so Schulze-Makuch aktuell und führt dazu weiter aus:
„Die Ergebnisse dieser Tests waren damals sehr verwirrend und bleiben es auch heute noch. Während einige dieser Tests – insbesondere das Experiment zur gekennzeichneten Freisetzung (das den mikrobiellen Stoffwechsel testete) und die pyrolytischen Freisetzungsexperimente (die die organische Synthese testeten) – zunächst positiv für Leben waren, war das Gasausstausch-Experiment dies nicht. Die Viking-Lander enthielten auch ein Instrument zur Erkennung von organischen Verbindungen. Es wurden geringe Mengen chlorierter organischer Verbindungen nachgewiesen, die damals als Ergebnis von Verunreinigungen von der Erde interpretiert wurden. Dies führte dazu, dass der Projektwissenschaftler der Viking-Mission, Gerald Soffen, seine berühmten Worte sagte: ‚Keine Körper, kein Leben‘. Mit anderen Worten, es könnte kein Leben auf dem Mars ohne organische Verbindungen geben. Daher kam Soffen zu dem Schluss, wie die meisten anderen Wissenschaftler damals auch, dass das Viking-Projekt negativ hinsichtlich des Vorhandenseins von Leben war oder bestenfalls unklar.“
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Ein halbe Jahrhundert später habe sich dieses Bild nun jedoch grundsätzlich verändert: „Dank des Landers Phoenix im Jahr 2008 und späterer Bestätigungen durch die Rover Curiosity und Perseverance wissen wir tatsächlich, dass einheimische organische Verbindungen auf dem Mars existieren. Allerdings handelt es sich um eine chlorierte Form, nicht das, was die Wissenschaftler aus der Viking-Ära erwartet hatten, und wir wissen nicht, ob sie von biologischen Prozessen stammen oder von abiotischen chemischen Reaktionen, die nichts mit Leben zu tun haben. Dennoch könnte man sich fragen, wie Soffen heute reagieren würde: Würde er immer noch kategorisch sagen, dass die Ergebnisse der Viking-Mission negativ waren?“
Da das Leben auf der Erde Wasser benötige, schien es damals eine gute Idee, den Experimenten Wasser zuzuführen, so der Astrobiologe weiter. Allerdings könnte dieser gut gemeinte Ansatz auch zu gut gemeint, und die Wassermenge zu viel für eventuell vorhandene Mikroben gewesen sein. Auch auf der Erde gebe es in ganz ähnlichen Umgebungen wie auf dem Mars mikrobisches Leben im Innern salzhaltiger Gesteine, das zwar Wasser zum Leben benötige, dies aber nur in minimalster Menge, wie sie die Mikroben aus der Luft extrahieren können. „Mikroben in der Atacama-Wüste benötigen also keinen Regen, nur die Feuchtigkeit aus der Atmosphäre.“ Zu viel Wasser würde derartige Mikroben sogar hyperhydrieren: „Einfach ausgedrückt, würden diese Organismen regelrecht ertrinken.“
Auf diese Weise könnte das den Experimenten hinzugefügte Wasser, die merkwürdigen Ergebnisse erklären, so Schulze-Makuch: „Möglicherweise konnten die vermeintlichen Mars-Mikroben, die für die Experimente zur gekennzeichneten Freisetzung gesammelt wurden, nicht mit dieser Menge Wasser umgehen und starben nach einer Weile ab. Die meisten Durchläufe für das Experiment zur pyrolytischen Freisetzung wurden unter trockenen Bedingungen durchgeführt, im Gegensatz zu den anderen Experimenten. Der erste Durchlauf war positiv für Leben im Vergleich zu einem später durchgeführten Kontrolldurchlauf, der so gestaltet war, dass keine biologischen Prozesse beteiligt sein konnten. Interessanterweise hatte der einzige Durchlauf unter feuchten Bedingungen ein schwächeres Signal als die Kontrolle.“
Bereits vor 15 Jahren spekulierte Schulze-Makuch gemeinsam mit Joop Houtkooper über mikrobisches Mars-Leben, das Wasserstoffperoxid in seinen Zellen besitzt. Dieser Stoff würde es diesen Mirkoben ermöglichen, Wasser direkt aus der Feuchtigkeit der Luft zu extrahieren und zugleich Schäden durch die Kristallbildung bei Minusgraden zu verhindern.
„Wenn wir einmal annehmen, dass einheimisches marsianisches Leben sich möglicherweise an seine Umgebung angepasst hat, indem es Wasserstoffperoxid in seine Zellen aufgenommen hat, könnte dies die Ergebnisse der Viking-Mission erklären“, so Schulze-Makuch. „Das Instrument zur Erkennung von organischen Verbindungen (ein sogenanntes Gas-Chromatograph-Massenspektrometer) hat Bodenproben vor der Analyse erhitzt. Wenn die marsianischen Zellen Wasserstoffperoxid enthielten, hätte das sie getötet. Außerdem hätte es dazu geführt, dass das Wasserstoffperoxid mit organischen Molekülen in der Nähe reagiert hätte, um große Mengen Kohlendioxid zu bilden – genau das, was das Instrument erkannt hat.“
Entsprechend fordert der Wissenschaftler abschließend, dass zukünftige Missionen diese Möglichkeiten bei der direkten Suche nach Leben auf dem Mars in Betracht ziehen.
– Den vollständigen und ausführlichen BigThink-Originalartikel von Dirk Schulze-Makuch finden Sie HIER
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Recherchequelle: BigThink.com
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