Polumkehr: Zusammenbruch des Erdmagnetfeldes vor 42.000 Jahren führte zu jüngstem Wendepunkt in der Erdgeschichte

Handabdrücke in der Höhle El Castillo in Spanien gehören zu den ältesten Beispielen europäischer Höhlenkunst. Die rot-ockerfarbenen Handabdrücke sind ein weltweit verbreitetes Motiv - und könnten als Reaktion auf globale Klimaveränderungen in Folge eines stillgelegten Magnetfeldes hindeuten. Copyright: Paul Pettitt, Gobierno de Cantabria
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Handabdrücke in der Höhle El Castillo in Spanien gehören zu den ältesten Beispielen europäischer Höhlenkunst. Die rot-ockerfarbenen Handabdrücke sind ein weltweit verbreitetes Motiv - und könnten als Reaktion auf globale Klimaveränderungen in Folge eines stillgelegten Magnetfeldes hindeuten. Copyright: Paul Pettitt, Gobierno de Cantabria

Handabdrücke in der Höhle El Castillo in Spanien gehören zu den ältesten Beispielen europäischer Höhlenkunst. Die rot-ockerfarbenen Handabdrücke sind ein weltweit verbreitetes Motiv – und könnten als Reaktion auf globale Klimaveränderungen in Folge eines stillgelegten Magnetfeldes hindeuten.
Copyright: Paul Pettitt, Gobierno de Cantabria

Sydney (Australien) – Eine internationale Studie zeigt, dass ein vorübergehender Zusammenbruch des Erdmagnetfeldes als Vorbote einer vollständigen Polumkehr vor rund 42.000 Jahren gewaltige Klimaveränderungen zur Folge hatte, die zu globalen Umweltveränderungen und Massensterben führten und vermutlich auch das Aussterben der Neandertaler aber auch das weltweite Auftreten figurativer Höhlenkunst zur Folge hatte.

Wie das internationale Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlern um Professor Chris Turney von der University of New South Wales (UNSW) aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.abb8677) berichtet, wurde der dramatische Wendepunkt in der Erdgeschichte – gespickt mit elektrischen Stürmen, weit verbreiteten Polarlichtern und kosmischer Strahlung – durch die Umkehrung der Erdmagnetpole und einer veränderten Sonnenaktivität ausgelöst.

„Zum ersten Mal konnten wir den Zeitpunkt und die Umweltauswirkungen der letzten Magnetpolumkehr genau datieren“, erläutert Turney. „Die Ergebnisse wurden durch Reste uralter neuseeländischer Kauribäumen ermöglicht, die seit über 40.000 Jahren in Sedimenten überdauert haben. „Anhand dieser alten Bäume konnten wir den Anstieg der atmosphärischen Radiokohlenstoffwerte messen und datieren, der durch den Zusammenbruch des Erdmagnetfelds verursacht wurde.“

Während schon zuvor bekannt war, dass vor 41-42.000 Jahren eine Polumkehr stattgefunden hatte, ein Ereignis, das als „Laschamps Ereignis“ bezeichnet wird, war bislang jedoch nicht genau bekannt, wie sich dieser Vorgang auf das irdische Leben ausgewirkt hatte – zu einer Zeit also, als die Ausrichtung des Magnetfeldes noch keine direkte Bedeutung auf Alltagshandlungen der Menschen hatte, da an Prozesse und Werkzeuge, die von dieser Ausrichtung abhängig sind, noch nicht zu denken war.

Hintergrund
Der magnetische Nordpol (also die Richtung, in die die Kompassnadel zeigt) besitzt keine feste Position. Diese schwankt für gewöhnlich mehr oder weniger rund um den geografischen Nordpol. Diese Schwankungen und Wanderungen können mal mehr und mal weniger stark ausfallen und stehen in Verbindung mit dynamischen Bewegungen im Erdkern (…GreWi berichtete). Gleiches gilt für den Südpol.

Während sich die Pole ständig verschieben, kommt es manchmal – wie etwa vor rund 42.000 Jahren auch zu einer vollständigen Polumkehr. Ereignet sich diese Umkehr in kurzer Zeit, spricht man auch von einem Polsprung. „Damals tauschten die Pole für rund 800 Jahre lang die Plätze, bevor sich der Vorgang dann wieder umkehrte“, erläutert Prof. Turney. Bislang hatte sich die wissenschaftliche Forschung auf jene Veränderungen konzentriert, die unmittelbar während der Umkehr der Magnetpole auftraten, als das Magnetfeld auf etwa 28 Prozent seiner heutigen Stärke geschwächt wurde.

Mithilfe der Baumringe gelang es den Wissenschaftlern nun jedoch, eine Zeitleiste der atmosphärischen Veränderungen zu erstellen: „Die Jahresringe der Kauribäume sind wie eine Art Rosetta-Stein und halfen uns dabei, die Umweltveränderungen, wie wir sie anhand von Proben aus Höhlen, Eisbohrkernen und Mooren rund um den Globus bereits vorliegen hatten, zu einem Gesamtbild zusammenzuführen“, erläutert der Co-Autor der Studie Professor Alan Cooper vom South Australian Museum.

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Die neu erarbeiteten Daten verglichen die Forschenden dann mit den Ergebnissen globaler Klimamodelle und stellten so fest, dass das Anwachsen der Eisdecken und Gletscher über Nordamerika und Europa sowie große Verschiebungen von Windgürtel und Sturmsystemen mit jener Phase übereinstimmten, die dem unmittelbaren Polwechsel vorausging und die die Forscher als nun als „Adams Transitional Geomagnetic Event“ oder kurz „Adams Event“ bezeichnen.

Ein erster Hinweis war das Aussterben der Megafauna in Australien und Tasmanien vor rund 42.000 Jahren. „Irgendwie hat das bislang nie so richtig ins Bild gepasst”, führt Cooper weiter aus. “Denn dieses Ereignis ereignete sich lange nach der Ankunft der Aborigines. Was jedoch übereinstimmte, war der Beginn der Veränderung des hiesigen Klimas zum bis heute andauernden ariden Status.”

Die aktuelle Studie legt nun nahe, dass das “Adams Ereignis” nicht nur die Vorgänge in Australien, sondern auch eine Vielzahl anderer evolutionärer Rätsel weltweit, wie etwa das Aussterben der Neandertaler sowie das plötzliche Auftreten der figurativen Höhenkunst rund um den Globus erklären kann.

Laut der neuen Ergebnisse fand der dramatischste Teil der Veränderungen also in der Zeit vor dem Polwechsel statt, als die Pole selbst über die Erde wanderten. „Das Erdmagnetfeld fiel während des dieses Vorgangs auf nur 0 bis 6 Prozent ab“, erläutert Prof. Turney und führt dazu weiter aus: „Die Erde hatte während dieser Phase im Wesentlichen überhaupt kein Magnetfeld – unser kosmischer Strahlungsschild war völlig verschwunden.“

Zeitgleich mit diesem Ausfall des irdischen Magnetfeld-Schutzschildes durchlebte die Sonne mehrere sogenannte „Grand Solar Minima“ (GSM), also längerwährende Perioden geringer Sonnenaktivität, und obwohl ein GSM weniger Aktivität auf der Sonnenoberfläche bedeutet, erlaubt die Abschwächung des planetaren Magnetfelds, dass mehr sogenanntes Weltraumwetter (Sonneneruptionen und galaktische kosmische Strahlen) den Weg in die Atmosphäre findet. „Tatsächlich riss die ungefilterte Strahlung aus dem Weltraum Luftpartikel in der Erdatmosphäre auseinander, trennte Elektronen und emittierte Licht – ein Prozess, der als Ionisation bezeichnet wird“, erklärt Turney weiter. „Die ionisierte Luft briet die Ozonschicht regelrecht und löste weltweit eine Welle des Klimawandels aus.“

Symbolbild: Das Nordlicht. Copyright: Pexels (via Pixabay.com) / Pixabay License

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„Während des beschriebenen Adams-Ereignisses waren mit großer Wahrscheinlichkeit sehr häufig farbschillernde Lichtspektakel am Himmel zu sehen: Polarlichter, Aurora borealis in den nördlichen und Aurora australis in der südlichen Hemisphäre“, erläutern die Autoren weiter. Nord- und Südlichter werden durch Sonnenwinde verursacht, die auf die Erdatmosphäre treffen, sind aber normalerweise auf die polaren nördlichen und südlichen Breiten beschränkt. Während eines zusammengebrochenen Erdmagnetfeldes wären die farbenfrohen Lichtspiele weit verbreitet gewesen. „Frühe Menschen auf der ganzen Welt hatten vermutlich erstaunliche Polarlichter gesehen, schimmernde Schleier über den Himmeln“, sagt Prof. Cooper.

Ionisierte Luft – ein großartiger Leiter für Elektrizität – hätte denn auch die Häufigkeit elektrischer Stürme erhöht. „Es muss wie das das Ende aller Tage gewirkt haben“, sagt Prof. Cooper. Die Forscher vermuten, dass die dramatischen Umweltveränderungen dazu geführt haben könnten, dass frühe Menschen auch mehr Schutz suchten – Schutz in Höhlen.

Dies wiederum könnte das plötzliche Auftreten von Höhlenkunst auf der ganzen Welt vor ungefähr 42.000 Jahren erklären. „Wir glauben, dass der starke Anstieg der UV-Werte insbesondere bei Sonneneruptionen, Höhlen plötzlich zu sehr wertvollen Schutzräumen gemacht hat – auch intuitiv“, so Prof. Cooper weiter. „Das übliche Höhlenkunstmotiv von rotockerfarbenen Handabdrücken könnte darauf hinweisen, dass die natürlichen Pigmente auch als Sonnenschutzmittel verwendet wurden, eine Technik, die noch heute von einigen indigenen Gruppen verwendet wird. „Die erstaunlichen Bilder, die in dieser Zeit in den Höhlen entstanden sind, sind erhalten geblieben, während andere Kunst in offenen Gebieten seitdem erodiert ist, was den Anschein erweckt, dass Kunst plötzlich vor rund 42.000 Jahren begann.“

Doch die Studie hat nicht nur Konsequenzen für unser Wissen über unsere Vergangenheit.

Während die Pole oft wandern, sind einige Wissenschaftler über die derzeit ungewöhnlich schnelle Wanderbewegung des Nordpols besorgt (…GreWi berichtete). Auch das Team um Turney und Cooper pflichtet dieser Sorge bei: “Die derzeitige Geschwindigkeit gemeinsam mit dem seit 170 Jahren um rund 9 Prozent geschwächten Erdmagnetfeld könnte auf eine bevorstehende Polumkehr deuten. Sollte ein ähnliches Ereignis wie vor rund 42.000 Jahren heute passieren, so hätte das für unsere moderne Gesellschaft gewaltige Konsequenzen: Hereinbrechende kosmische Strahlung könnte unsere Strom- und Satellitennetze schädigen oder gar zerstören.“ Auch ist die menschengemachte Klimakrise bereits jetzt schon katastrophal genug, auch ohne eine Kombination aus solaren Veränderungen und einer Polumkehr.

„Unsere Atmosphäre ist bereits mit Kohlenstoffmengen angefüllt, wie sie die Menschheit noch nie zuvor erlebt hat. Eine magnetische Polumkehr oder extreme Veränderungen der Sonnenaktivität würde die beispiellose Klimaveränderung noch dramatisch beschleunigen. Nicht zuletzt deshalb müssen wir schnellsten unsere Kohlenstoffemissionen herunterfahren, bevor derart zufällige Ereignisse uns noch zusätzlich treffen.“




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Quelle: University of New South Wales

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