Künstlerische Darstellung des frühen, sich ausdehnenden Universums.
Copyright: NASA/Gemeinfrei
Oxford (Großbritannien) – Noch vor fünf Jahren erhielten drei Astronomen den Physik-Nobelpreis für ihren Nachweis, dass sich das Universum – angetrieben von einer mysteriösen Substanz mit der Bezeichnung „Dunkle Energie“ – mit zunehmender Geschwindigkeit ausdehnt. Jetzt führt eine neue Auswertung der seither deutlich angewachsenen Datengrundlage zu massiven Zweifeln an der bislang weitgehend akzeptierten Theorie.
Die 2011 als „Entdecker der Dunklen Energie“ mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Wissenschaftler Saul Perlmutter, Brian P. Schmidt und Adam G. Riess basierten ihre Feststellung eines sich zunehmend beschleunigt ausdehnenden Universums auf der Analysen von Beobachtungsdaten von Supernovae – also thermonuklearen Sternexplosionen – vom Typ Ia, wie sie mit dem Weltraumteleskop Hubble und großen bodengestützten Observatorien zusammengetragen wurden.
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Seit der Beschreibung der für diese beschleunigte Ausdehnung verantwortlichen „Dunklen Energie“, die seither als bedeutender Teil des kosmologischen Standardmodell gilt, hat sich allerdings die Anzahl der beobachteten Supernova-Ereignisse auf 740 um das fast Zehnfache erhöht.
Diese neuen Daten sind wiederum die Grundlage für eine neue Analyse der Daten durch ein Team um Physik-Professor Subir Sarkar von der Oxford University, deren Ergebnis zu dem Schluss kommt, dass die Beweise für eine Beschleunigung deutlich schwächer sind als bislang gedacht. Statt einer beschleunigten Ausdehnungsrate sprechen die neuen Daten vielmehr für eine konstante Ausdehnung des Universums. Ihre Ergebnisse haben Sarkar und Kollegen aktuell im Fachjournal „Nature Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/srep35596) veröffentlicht.
„Auf der Grundlage der mittlerweile deutlich größeren Datenmenge von 740 beobachteten Typ-Ia-Ereignisse liegt die Beweiskraft für eine beschleunigte Ausdehnung des Universums nur noch bei ‚3 Sigma‘ und damit von der deutlich erforderlichen 5-Sigma-Grenze entfernt, die für die Anerkennung einer ‚Entdeckung von fundamentaler Bedeutung‘ notwendig ist“, so Sarkar.
Auf den Hinweis seiner Kritiker, dass doch auch andere Daten die Idee eines sich beschleunigenden Universums stützen – etwa die des Planck-Satelliten zur kosmischen Mikrowellenhintergrund, dem Nachglühen des Urknalls – erläutert der Physiker: „Alle diese Tests sind indirekt und basieren auf der Grundlage eines angenommenen Modells. Zudem wird der kosmische Mikrowellenhintergrund nicht direkt von Dunkler Energie beeinflusst. Tatsächlich gibt es zwar einen subtilen Effekt, den Sachs-Wolfe-Effekt, aber dieser konnte bislang noch nie eindeutig gemessen werden.“
Somit sei es „gut möglich, dass wir fehlgeleitet wurden und dass die offenbare Manifestation der Dunklen Energie lediglich eine Folge davon ist, dass Daten mit einem zu sehr vereinfachten theoretischen Modell, das tatsächlich bereits in den 1930er Jahren und damit lange bevor überhaupt reale Daten existierten, konstruiert wurde“, so Sarkar weiter. „Eine fortschrittlichere theoretische Grundlage für die Beobachtung, dass das Universum nicht exakt homogen ist und sich sein Materiegehalt nicht wie ein ideales Gas verhält – und das sind zwei Schlüsselannahmen des Standardmodells der Kosmologie – könnte durchaus genügen, um alle Beobachtungen zu erklären, ohne dafür Dunkle Energie zu benötigen. Tatsächlich, ist etwa die Energie des Vakuums etwas, von dem wir in der grundlegenden Physik noch überhaupt kein Verständnis haben.“
Abschließend gesteht Sarkar dann aber auch ein, dass es wohl noch einer ganzen Menge Arbeit bedarf, um die Physik-Gemeinde von seiner neuen Erkenntnis zu überzeugen. „Dennoch dient unsere Arbeit, um zu zeigen, dass ein Grundpfeiler des kosmologischen Standardmodells auf eher wackeligem Grund steht. Hoffentlich wird dies zu besseren Analysen der kosmologischen Daten führen und zudem Theoretiker dazu inspirieren, nuanciertere kosmologische Modelle zu durchdenken.“ Der Wissenschaftler hofft nun auf das „European Extremely Large Telescope“ (E-ELT; …GreWi berichtete), das Messungen mit einem höchstempfindlichen Laserkamm durchführen wird, und bis zu 15 Jahre lang die Ausdehnungsrate des Universums misst, um auf diese Weise dann auch feststellen zu können, ob sich diese tatsächlich beschleunigt – oder eben nicht.
GreWi-Kurzgefaßt
– Auf neuer und mittlerweile um das Zehnfache datenreicheren Grundlage haben Oxford-Physiker die mit dem Nobelpreis gekürte Theorie von einer durch „Dunkle Energie“ beschleunigten Ausdehnung des Universums überprüft.
– Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Beweise für eine solche Ausdehnung sehr viel schwächer sind als bislang angenommen.
– Somit würde auch nicht mehr das – hypothetischen Konstrukt – Dunkler Materie benötigt, um aktuelle kosmologische Beobachtungen zu erklären.
– Eine Antwort erwarten die Wissenschaftler in spätestens 15 Jahren, nachdem das „European Extremely Large Telescope“ (E-ELT) seine extrem genaue Vermessung der Ausdehnung des Universums abgeschlossen hat.
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