Ceres: Naher Zwergplanet war einst eine Ozeanwelt

Der Zwergplanet Ceres mit dem Krater Occator in der Bildmitte. Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA
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Der Zwergplanet Ceres mit dem Krater Occator in der Bildmitte. Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Der Zwergplanet Ceres mit dem Krater Occator in der Bildmitte.
Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

West Lafayette (USA) – Über die ursprüngliche Natur des Zwergplaneten Ceres, der die Sonne im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter umkreist, wurde schon viele spekuliert. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass Ceres einst eine Ozeanwelt war. Für die Erforschung solcher potenziell lebensfreundlichen Welten ist dies aufgrund der Nähe von Ceres zur Erde besonders interessant.

Während die meisten Ozeanwelten in Form der Monde der großen Gasriesen Jupiter und Saturn vergleichsweise weit von der Erde entfernt sind, umkreist der Zwergplanet bzw. Asteroid Ceres die Sonne innerhalb des Asteroidengürtels zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Seit der Entdeckung des größten Asteroiden im Sonnensystem anno 1801 durch den Astronom Giuseppe Piazzi haben Planetenwissenschaftler über die Zusammensetzung dieses von Ceres spekuliert. Seine stark beschädigte und verbeulte Oberfläche ist von Einschlagskratern bedeckt. Lange Zeit galt dieses Terrain und die sichtbaren Krater als Beleg dafür, dass Ceres nicht sehr eisig sein konnte.

Wie das Team um Ian Pamerleau und Mike Sori von der Purdue University gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen um Jennifer Scully des Jet Propulsion Lab (JPL) der NAsA aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI. 10.1038/s41550-024-02350-4) darlegen, gehen sie davon aus, dass er rund 950 Kilometern große Ceres doch ein sehr eisiger Himmelskörper ist, der möglicherweise einst sogar eine schlammige Ozeanwelt war.

Anhand von aufwendigen Computersimulationen haben die Forschenden die Verformung von Kratern auf Ceres über Milliarden von Jahren hinweg nachgestellt. „Wir glauben, dass es nahe der Oberfläche von Ceres viel Wassereis gibt und dass es allmählich weniger eisig wird, je tiefer man geht“, erläutert Sori. „Früher dachte man, dass die Krater, wenn Ceres sehr eisig wäre, sich im Laufe der Zeit schnell verformen würden, ähnlich wie Gletscher auf der Erde oder zähflüssiger Honig. Unsere Simulationen haben jedoch gezeigt, dass Eis unter den Bedingungen auf Ceres viel stärker sein kann, als bisher angenommen, wenn man nur ein wenig festes Gestein beimischt.“

Die Entdeckung des Teams widerspricht damit der bisherigen Vorstellung von Ceres als einer relativ trockenen Welt: „Die gängige Annahme war, dass Ceres zu weniger als 30 % aus Eis besteht.“ Die Forschenden um Sori glauben nun hingegen, dass die Oberfläche zu etwa 90 % aus Eis besteht.

Entsprechend scheint Ceres einst eine Ozeanwelt wie etwa der Jupitermond Europa gewesen sein. Sein Ozean war jedoch im Gegensatz zum verborgenen Salzwasserozean auf Europa oder dem Saturnmond Enceladus eher schmutzig und schlammig. Als dieser schlammige Ozean im Laufe der Zeit gefror, bildete er eine Eiskruste mit ein wenig eingeschlossenem Gesteinsmaterial.

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Wie sich die Krater dennoch erhalten haben könnten erklären die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wie folgt: „Selbst Feststoffe fließen über lange Zeiträume, und Eis fließt leichter als Gestein. Krater haben tiefe Schalen, die hohe Spannungen erzeugen, die sich dann in einen Zustand geringerer Spannung entspannen, was zu einer flacheren Schale durch Festkörperflüsse führt. Nach der NASA-Mission Dawn wurde daher geschlossen, dass die Kruste aufgrund des Fehlens entspannter, flacher Krater nicht so eisig sein konnte. Unsere Computersimulationen berücksichtigen eine neue Möglichkeit, wie Eis mit nur wenigen nicht-eisigen Verunreinigungen vermischt fließen kann, was es einer sehr eisreichen Kruste ermöglicht, selbst über Milliarden von Jahren kaum zu fließen. Dadurch konnten wir ein eisreiches Ceres-Inneres modellieren, das dennoch zum beobachteten Fehlen der Kraterentspannung passt. Wir testeten verschiedene Krustenstrukturen in diesen Simulationen und fanden heraus, dass eine Kruste mit hohem Eisgehalt nahe der Oberfläche, die sich mit der Tiefe allmählich zu weniger Eis verändert, der beste Weg war, die Entspannung der Krater von Ceres zu begrenzen.“

Für ihre Simulationen nutzten die Forschenden die Daten der NASA-Mission „Dawn“, die Ende September 2007 startete, Ceres 2015 erreichte und bis 2018 umkreiste.

„Wir verwendeten mehrere Beobachtungen, die mit Dawn-Daten gemacht wurden, als Motivation für die Suche nach einer eisreichen Kruste, die der Kraterentspannung auf Ceres widerstand. Verschiedene Oberflächenmerkmale (z. B. Gruben, Kuppeln und Erdrutsche usw.) deuten darauf hin, dass das nahe unter der Oberfläche von Ceres viel Eis enthalten könnte“, sagte Pamerleau. „Spektraldaten zeigen auch, dass sich unter dem Regolith des Zwergplaneten Eis befinden sollte, und Gravitationsdaten ergeben einen Dichtewert, der sehr nahe an dem von Eis liegt, insbesondere von verunreinigtem Eis. Wir haben auch ein topografisches Profil eines tatsächlichen komplexen Kraters auf Ceres erstellt und es verwendet, um die Geometrie für einige unserer Simulationen zu konstruieren.“

„Falls wir richtig liegen und es sich um eine gefrorene Ozeanwelt handelt, so ist das besonders spannend, weil Ceres so nah an der Erde liegt“, erläutert Sori abschließend. „Ceres könnte ein wertvoller Vergleichspunkt für die eisigen Monde des äußeren Sonnensystems sein, die Ozeane beherbergen wie der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus. Ceres ist daher die für uns am besten zugängliche eisige Welt im Universum. Das macht es zu einem großartigen Ziel für zukünftige Raumfahrtmissionen. Einige der hellen Merkmale, die wir auf der Oberfläche von Ceres sehen [Anm. GreWi: die sogenannten „Ceres-Lichter“] sind die Überreste des schlammigen Ozeans von Ceres, der jetzt größtenteils oder vollständig gefroren ist und an die Oberfläche ausgetreten ist. Wir haben also einen Ort, an dem wir Proben aus dem Ozean einer alten Ozeanwelt sammeln können, der nicht allzu schwer zu erreichen ist.“

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Recherchequelle: Purdue University

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