Langlebige lebensfreundliche Zonen um Weiße Zwergsterne möglich
Norman (USA) – Sog. Weiße Zwerge, die planetengroßen „kalten“ Reste ehemaliger sonnenähnlicher Sterne, galten lange Zeit als leblose Sternenleichen. Immer mehr Untersuchungen zeigen jedoch, dass es ganz anders sein könnte. Eine aktuelle Studie zeigt, dass zwischen 0,6 und 2,5 Prozent aller Weißen Zwerge in unserer kosmischen Nachbarschaft deutlich länger lebensfreundliche Bedingungen ermöglichen könnten, als bislang angenommen.

Copyright: Juri D.K. (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0
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Wie das Team um Manuel Barrientos von der University of Oklahoma aktuell vorab via ArXiv.org berichtet, wären damit habitable Zonen, Abstandsregionen um den Stern, innerhalb derer lebensfreundliche Planeten existieren könnten, deutlich über den eigentlich Sternentod hinaus denkbar.
Das Geheimnis von Neon-22
Normalerweise kühlen Weiße Zwerge nach ihrem „Tod“ stetig und vorhersehbar ab. Doch das Team um Barrientos fand heraus: Enthält ein Weißer Zwerg mindestens 2,5 Prozent Neon-22, setzt ein ungewöhnlicher Prozess ein: Beim Übergang des Sterninneren in den festen Zustand kristallisieren Kohlenstoff und Sauerstoff, während Neon-22 ungleichmäßig verteilt wird. Die Kristalle enthalten weniger Neon-22 als die flüssigen Schichten und sind dadurch leichter. Sie steigen nach oben, schmelzen und setzen dabei enorme Mengen an Gravitationsenergie frei – ein Prozess, der an eine kosmische „Lavalampe“ erinnert. Dieses „Destillieren“ kann den Abkühlungsprozess eines Weißen Zwergs um sage und schreibe bis zu 10 Milliarden Jahre verzögern.
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Das Element Neon-22 selbst entsteht schon während der aktiven Lebensphase des Sterns: In der Heliumbrennphase verwandelt sich Stickstoff-14, das zuvor im sogenannten CNO-Zyklus gebildet wurde, in Neon-22. Sterne mit höherem Gehalt an Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff („Metallizität“) produzieren demnach besonders viel Neon-22 – und ihre Weißen Zwerge besitzen die besten Voraussetzungen für diesen Verzögerungseffekt.
Computermodelle und Beobachtungen stimmen überein
Um ihre Hypothese zu testen, untersuchten die Forscher rund 4.000 Sterne aus dem Hypatia-Katalog, einer Datenbank hochauflösender Spektren von Sternen im Umkreis von 500 Parsec (1 Parsec = 3,3 Lichtjahre / 1 Lj = 9,46 Billionen Kilometer) um die Sonne. Mithilfe des Stellar-Evolutionscodes MESA berechneten sie, wie viel Neon-22 in den Weißen Zwerg-Überresten dieser Sterne entstehen würde.
Die Ergebnisse passen erstaunlich gut zu den Beobachtungen der ESA-Raumsonde „Gaia“. Diese hatte bereits eine merkwürdige Häufung von Weißen Zwergen im sogenannten „Q-Branch“ ihrer Helligkeits-Diagramme gezeigt. Rund 6 Prozent der massereichen Weißen Zwerge scheinen ihre Abkühlung über Milliarden Jahre pausiert zu haben – was die Forscher als „kosmischen Stau“ bezeichnen. Auch ihre Bewegungen liefern Hinweise: Sterne im Q-Branch sind deutlich schneller unterwegs, als es ihrem scheinbaren Alter entspricht – ein verräterisches Zeichen für den Abkühlungsstopp.
Ein galaktisches Muster
Besonders spannend: Die Verteilung dieser „destillierten“ Weißen Zwerge ist nicht zufällig. Laut Modellrechnungen treten sie häufiger im Zentrum der Milchstraße auf (bis zu 7,6 Prozent innerhalb von 2 Kiloparsec), während ihr Anteil in den äußeren Regionen stark abnimmt (nur etwa 1 Prozent im Bereich von 8 bis 10 Kiloparsec).
Die Erklärung dafür liegt in der Chemie der Galaxis: Sterne im inneren Bereich enthalten mehr schwere Elemente und produzieren daher auch mehr Neon-22. Das bedeutet, dass langlebige habitale Zonen um Weiße Zwerge vor allem im galaktischen Zentrum zu erwarten sind.
Bedeutung für die Astrobiologie
Für die Suche nach außerirdischem Leben ist diese Entdeckung von großer Tragweite. Weiße Zwerge mit Neon-Destillation können viel länger stabile Bedingungen für lebensfreundliche Zonen aufrechterhalten, als bislang angenommen. Zudem liegen diese Zonen weiter vom Stern entfernt, was die zerstörerischen Gezeitenkräfte auf mögliche Planeten deutlich verringert.
Weiße Zwerge, lange Zeit als „kosmische Endstation“ betrachtet, könnten sich also stattdessen als besonders stabile Brutstätten für Leben erweisen.
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Recherchequelle: ArXiv.org
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