„Mars Express“ fotografiert urzeitliche Flusstäler auf dem Mars

Mars-Express-Aufnahme der Flusstäler östlich des Huygens-Kraters. Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO
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Mars-Express-Aufnahme der Flusstäler östlich des Huygens-Kraters. Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO

Mars-Express-Aufnahme der Flusstäler östlich des Huygens-Kraters.
Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO

Berlin (Deutschland) – Neue hochauflösende Aufnahmen der Stereokamera HRSC an Bord der europäischen Sonde „Mars Express“ zeigen ein System ausgetrockneter, stark verästelter Flusstäler östlich des Einschlagskraters Huygens. Die Täler zeigen erneut, dass der Mars früher zumindest zeitweise ein wärmeres und deutlich feuchteres und vielleicht sogar lebensfreundlicheres Klima besaß als heute.

Wie das die HRSC-Kamera betreibende Deutsch Zentrum für Luft- Raumfahrt (DLR) berichtet,  entstanden Talnetzwerke wie jenes, dessen Aufnahmen jetzt veröffentlicht wurden, vor mehr als dreieinhalb Milliarden Jahren und kommen deshalb typischerweise in den ältesten, stark verkraterten Regionen im südlichen Hochland des Mars vor. Für Planetenwissenschaftler belegt die Existenz solcher Talnetzwerke, dass der Mars früher zumindest zeitweise ein anderes, vermutlich wärmeres, feuchteres und damit vielleicht auch lebensfreundliches Klima besaß und vor mehr als vier bis vor etwa 3,7 Milliarden Jahren vermutlich sogar einen Wasserkreislauf gehabt haben muss.

Die Bucht von Musa im Nordosten des Iran offenbart die Ähnlichkeiten zwischen den dendritischen Flusstälern des Mars und der Erde. Copyright: ESA / CC BY-SA 3.0 IGO

Die Bucht von Musa im Nordosten des Iran offenbart die Ähnlichkeiten zwischen den dendritischen Flusstälern des Mars und der Erde.
Copyright: ESA / CC BY-SA 3.0 IGO

„Auf den Bildern sieht man, dass die Landschaft von einem Netzwerk aus gewundenen Tälern überzogen ist, die allesamt einem dendritischen, also verästelten oder verzweigten Muster folgen“, erläutert die DLR-Pressemitteilung zu den neuen Aufnahmen und führt dazu weiter aus: „In der Hydrologie wird der Begriff ‚dendritisch‘ von dendron (griech. für Baum) abgeleitet und beschreibt ein Tal, in das talaufwärts immer kleinere Nebentäler münden, die wiederum von noch kleineren Zuflüssen gespeist werden. Dadurch ergibt sich ein Muster, das der Struktur eines Baumes ähnelt, mit Stamm, Ästen und kleinen Zweigen. Auf der Erde ist dieses Erosionsmuster bei den meisten Flüssen anzutreffen und ist das Ergebnis des Wasserkreislaufs mit Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und erneutem Niederschlag. Im Gegensatz dazu stehen kaum verzweigte, ebenfalls längst ausgetrocknete Flusstäler auf dem Mars, die eher eine geradlinig verlaufende Talstruktur ohne viele Nebenflüsse aufweisen, und die eine andere Entstehungsgeschichte haben, weil sie durch austretendes Grundwasser gebildet wurden.“

Perspektivische Schrägansicht der der Flusstäler östlich des Huygens-Kraters durch „Mars Express“. Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO

Perspektivische Schrägansicht der der Flusstäler östlich des Huygens-Kraters durch „Mars Express“.
Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO

Um derart verästelten Täler zu formen, war auch auf dem Mars einst fließendes Wasser nötig. Der jeweilige Ursprung des Wassers – ob nun Niederschlag, Grundwasser oder Schmelzwasser aus dem Eis von Gletschern – könne, so erläutert das DLR, oft an der Art der Talstruktur abgelesen werden: „Talnetzwerke, die einen dendritischen Grundriss aufweisen, wurden auch auf dem Mars höchstwahrscheinlich durch Oberflächenabfluss von Niederschlag oder Schmelzwasser gebildet. Die Ursprünge der Täler befinden sich typischerweise an einem topographischen Höhenzug, beispielsweise an einer Wasserscheide, und der Verlauf der Abflussrinnen folgt dem lokalen Gefälle. Der Begriff Wasserscheide bezeichnet dabei den Grenzverlauf zwischen zwei benachbarten Flusssystemen, der sich in der Regel entlang von Höhenzügen erstreckt.“

Höhenkarte des Bildausschnitts. Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO

Höhenkarte des Bildausschnitts.
Copyright: ESA/DLR/FU Berlin/ CC BY-SA 3.0 IGO

Anhand der mitgelieferten Höhenmodelle (s. Abb.) lässt sich zudem ableiten, dass die Wassermassen von Norden nach Süden geflossen sind. Die größten Täler in den gezeigten Bildern sind bis zu zwei Kilometer breit und erreichen eine Tiefe von bis zu 200 Metern. Insbesondere diejenigen, die in Ost-West Richtung verlaufen, zeigen stark verwitterte und von der Erosionskraft des talwärts fließenden Wassers ausgeschürfte Talränder. Dendritische Talsysteme finden sich auch an anderen Stellen auf dem Kraterrand und wurden von der HRSC auf „Mars Express“ erstmals 2004 erfasst.

Hintergrund
Heute geht man davon aus, dass sich auf dem Mars vor etwa 3,7 bis 3,8 Milliarden Jahren ein Klimawandel ereignet hatte, bei dem sich die Umweltbedingungen von einem eher neutralen, lebensfreundlichen, sporadisch feuchten Milieu zu einem deutlich saureren, lebensfeindlichen, trockenen und kalten Milieu hin verändert haben. Die Hauptursache dafür liegt – nach heutigem Kenntnisstand – in dem graduellen Verlust der Marsatmosphäre und einer veränderten vulkanischen Aktivität des Planeten. „Dieser Klimawandel hat unseren Nachbarplaneten sozusagen von einem hinsichtlich der möglichen Entstehung und Entwicklung von Leben ‚hoffnungsvollen‘ Planeten mit zeitweilig existierenden Flüssen und Seen zu einem Planeten umgeformt, der nur noch trocken, kalt und salzig war“, so Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung und Leiter des Kameraexperiments HRSC.

Einer der Gründe, warum der Mars seine Atmosphäre verloren hat, liege an seinem heute fehlenden, aber während der ersten fünfhundert Millionen Jahre noch existierenden Magnetfeld: „Weil das Magnetfeld immer schwächer wurde, konnte der Sonnenwind sukzessive die Atmosphärenmoleküle spalten, und die beschleunigten Ionen gingen ans Weltall verloren: Dadurch und wegen des nachlassenden Vulkanismus‘ wurde die Atmosphäre immer dünner. Außerdem ist Mars nur halb so groß wie die Erde, weshalb seine Anziehungskraft kaum ausreicht, um Atmosphärenmoleküle durch die eigene Schwerkraft an sich zu binden. Ab einem bestimmten Atmosphärendruck kann Wasser physikalisch auf einem Planeten nicht mehr flüssig sein, sondern nur noch eis- oder gasförmig. Durch das Ausbleiben der Niederschläge brach der Wasserkreislauf auf dem Mars schließlich zusammen.“

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Blick auf die südliche Polkappe des Mars. Copyright: NASA

Blick auf die südliche Polkappe des Mars. Copyright: NASA

Selbst wenn die Temperaturen hier und da auch heute noch dafür ausreichen würden – flüssiges Wasser würde aufgrund der dünnen Atmosphäre an der Marsoberfläche sofort verdampfen. Im Planetenuntergrund scheint Wasser jedoch noch in großen Mengen vorhanden zu sein, und zwar in Form von Wassereis. Zudem bestehen die beiden Polkappen des Mars aus einer Mischung aus Wasser- und Kohlendioxideis. Unter ganz extremen Bedingungen (zum Beispiel in sehr salzhaltigen Lösungen) könnte Wasser theoretisch also auch heute noch als Flüssigkeit auf dem Mars kurzzeitig existieren.

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