Neue Kontroverse um das Alter der Himmelsscheibe von Nebra
Halle (Deutschland) – Die Himmelsscheibe von Nebra gehört zu den bedeutendsten archäologischen Funden in Deutschland. Doch schon von jeher Streiten sich Wissenschaftler über verschiedene Aspekte der Entdeckung. Aktuell ist erneut eine Kontroverse um das tatsächliche Alter der Himmelsscheibe entbrannt, datieren zwei Archäologen dieses doch nicht in die Bronzezeit, sondern rund 1000 Jahre später in die Eisenzeit. Dies widerum hätte bedeutende Auswirkungen für die Bedeutung der Scheibe – wäre sie doch nicht mehr die älteste bekannte Darstellung des Himmels. Andere Archäologen wiedersprechen scharf. Ein Versuch, die Argumente zu ordnen…
Entfacht wurde die aktuelle Kontroverse durch einen aktuell in der Zeitschrift „Archäologische Informationen“ veröffentlichten Artikel von Prof. Dr. Rupert Gebhard von der Archäologischen Staatssammlung und und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Rüdiger Krause vom Institut für Archäologische Wissenschaften Vor- und Frühgeschichte der Universität Frankfurt. Darin stellen die beiden Wissenschaftler als Ergebnis ihrer eigenen Analysen fest, dass es sich „bei der Stelle, die bisher als Fundort galt und die in einer Nachgrabung untersucht wurde, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um die Fundstelle der Raubgräber handelt“. Es gebe zudem „keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die bronzezeitlichen Schwerter und Beile sowie der Armschmuck ein zusammengehöriges Ensemble bilden“. Deshalb müsse man davon ausgehen, dass sich nicht um eine der typischen Deponierungen der Bronzezeit handelt und die Scheibe sich nicht zusammen mit den anderen Objekten in originaler Lage im Grabungsloch befunden habe, so die Pressemitteilung der Universität Frankfurt.
Damit müsse die Scheibe neu als Einzelfund untersucht und bewertet werden. „Stilistisch und kulturell lässt sich die Himmelsscheibe nicht in die frühbronzezeitliche Motivwelt des beginnenden zweiten Jahrtausends vor Christus einfügen.“ Statt dessen ließen sich hingegen deutlichere Bezüge zur Motivwelt der Eisenzeit des ersten Jahrtausends vor Christus herstellen. Damit wäre die Himmelssceibe rund 1.000 Jahre jünger als bislang gedacht – und nicht mehr die älteste bekannte Darstellung des Himmels. Auf einer divergierenden Datenlage und auf Grundlage dieser neuen Einschätzung, so Gebhard und Krause, „müssen alle bisherigen, teilweise weitreichenden kulturgeschichtlichen Schlussfolgerungen neu und ergebnisoffen diskutiert werden und die Scheibe in anderen Zusammenhängen als bisher interpretiert und bewertet werden. Grundlage hierzu müsse die Vorlage aller bisher nicht veröffentlichten Daten und Fakten sein.
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Unter den zuständigen Landesarchäologen und anderen Himmelsscheiben-Experten sorgt diese Behauptung erwartugsgemäß für Unverständnis und scharfe Kritik: „Die Kollegen ignorieren nicht nur die Fülle an publizierten Forschungsergebnissen der letzten Jahre, sie führen dafür verschiedene Argumente ins Feld, die indes leicht zu widerlegen sind“, so der stellvertretende Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt Dr. Alfred Reichenberger.
Die Behauptungen, die Erdanhaftungen an der Himmelsscheibe würden nicht mit denen der übrigen Funde übereinstimmen und auch die geochemischen Analysen der Metalle würden die Zusammengehörigkeit der Funde (u.a. Himmelsscheibe und Schwerter usw.) nicht unterstützen, seien „nachweislich falsch“, kritisiert Reichenberger in einer Pressemitteilung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und führt darin dazu weiter aus: „Nach einem von den beiden Autoren nicht zitierten Aufsatz von Dr. Jörg Adam (damals Landeskriminalamt Brandenburg), der für das Landgericht Halle als Sachverständiger die Untersuchungen der Erdanhaftungen durchführte, ‚[ist] insgesamt … somit eine Herkunft sowohl der Erdanhaftungen an der Himmelsscheibe (Sp 1) als auch am Schwert (Sp 2) von deren vermutlichem Fundort (Entnahmestelle des VM 1) als sehr wahrscheinlich anzusehen… Eine Sonderstellung nehmen die Erdreste am Beil (Sp 3) ein. Ein großer Teil der ermittelten Eigenschaften und Merkmale lassen ebenfalls eine Herkunft dieser Erdanhaftungen vom Mittelberg als möglich erscheinen‘. Da sich der Untersuchungsauftrag des Gerichtes damals auf diese drei Gegenstände beschränkte, wurden die übrigen Beifunde vom Sachverständigen seinerzeit nicht untersucht und sind daher auch nicht als Argument gegen eine Zusammengehörigkeit aller Funde brauchbar. Insofern ist die Forderung der beiden Autoren, der Meißel müsse als nicht zugehörig ausgesondert werden, nicht nachvollziehbar. Ebenso führt die Behauptung, die geochemische Untersuchung der Metalle spräche gegen eine Zusammengehörigkeit der Funde in die Irre.“
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Laut Reichenberger wurde von 2008 und 2010 von Prof. Dr. Ernst Pernicka und Kollegen dargelegt, „dass das Kupfer aller Teile des Hortes aus derselben Lagerstätte stammt.“ Als Lagerstätte hingegen ist seit langem der Mitterberg im Salzburger Land nachgewiesen, dessen Kupferproduktion zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. geendet hat. Zusätzlich stellt Pernicka fest: »Analysen von keltischen [eisenzeitlichen] Kupferlegierungen zeigen ganz andere Zusammensetzungen sowohl der Hauptbestandteile als auch der Spurenelemente und Bleiisotopenverhältnisse“. Auf diese Weise scheide auch aus metallurgischer Sicht eine Datierung der Himmelsscheibe in die Eisenzeit klar aus, so Reichenberger weiter.
Auch das von Gebhard und Krause angeführte Argument, der Hinweis, die Himmelsscheibe von Nebra stelle im damaligen Symbolgut „ein(en) vollkommenen Fremdkörper“ dar, sei zwar zunächst richtig, treffe aber schließlich auf jeden einzigartigen Fund zu, so die Kritik: „Die Himmelsscheibe von Nebra wäre in jeder vorgeschichtlichen Periode ein Fremdkörper“, so Reichenberger abschließend.
Die Kontroverse dürfte damit aber noch lange nicht beigelegt sein. Grenzwissenschaft-Aktuell.de wird weiterhin berichten…
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Quellen: Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF), Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
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