Bentley (Australien) – Eine aktuelle Studie hat den zunehmenden Einfluss unbeabsichtigter elektromagnetischer Emissionen (UEMR) von Starlink-Satelliten auf die Radioastronomie – insbesondere im Frequenzbereich des geplanten SKA-Low-Radioteleskops untersucht und zeigt, wie beabsichtige und unbeabsichtige Emmissionen Radioastronomische Instrumente beeinflussen.
Schon für die optische Astronomie stellen Starlink-Satelliten eine Beeinträchtigung dar. Hier zu sehen die geraden, quer zu den Sternenbahnen verlaufenden Bahnen von Starlink. Copyright: Steve Elliott (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 2.0
Inhalt
Wie Dylan Grigg, Prof. Steven Tingay und Dr. Marcin Sokolowski vom International Centre for Radio Astronomy Research an der Curtin University vorab via ArXiv.org berichten, nutzten sie die SKA-Low-Prototypstation „Engineering Development Array 2“ (EDA2) in Westaustralien und analysierten rund 76 Millionen Himmelsaufnahmen über einen Zeitraum von 29 Tagen.
Innerhalb dieser Arbeit wurden über 112.000 Detektionen von 1.806 individuellen Starlink-Satelliten dokumentiert. Diese zeigten sowohl beabsichtigte (schmalbandige) als auch unbeabsichtigte (Breitband-) Emissionen. Besonders betroffen sind demnach Frequenzbereiche, die durch die Internationale Fernmeldeunion (ITU) eigentlich für die Radioastronomie geschützt sind, darunter 73,00 – 74,60 MHz (13 v2-mini Ku-Satelliten)
150,05 – 153,00 MHz (703 v2-Mini-Satelliten, davon 684 Ku und 19 DTC). In extremen Fällen war in bis zu 30 Prozent aller Aufnahmen mindestens ein Starlink-Satellit detektierbar.
Hintergrund: Darf Starlink das?
Tatsächlich hat „SpaceX“ niemals auch nur irgendeine globale Zustimmung eingeholt, weder bei der Allgemeinheit noch durch An- und Rückfragen bei globalen Organisationen wie den Vereinten Nationen (UN) oder der Europäischen Union (EU). Auch Astronomenverbände oder die wissenschaftliche Gemeinschaft wurden nicht formell konsultiert, obwohl Starlink durch Lichtverschmutzung und Funkstörungen weltweit Auswirkungen auf die Forschung hat.
Ein neu gestarteter Starlink-Satellitenzug am Nachthimmel. Copyright: grewi.de
Allerdings gibt es bislang auch keine zentrale internationale Behörde, die den erdnahen Orbit als globales Gemeingut mit einer einzigen Genehmigungsbefugnis verwaltet. Stattdessen müssen Satellitenbetreiber wie SpaceX ihre Aktivitäten beim Heimatstaat genehmigen lassen, in diesem Fall bei den US-Behörden, insbesondere der Federal Communications Commission (FCC). Die FCC hat SpaceX ab 2018 die Erlaubnis für den Betrieb von über 12.000 Satelliten sowie die Nutzung bestimmter Funkfrequenzen erteilt.
International werden Frequenzen über die Internationale Fernmeldeunion (ITU) koordiniert, die aber keine Start- oder Betriebsgenehmigungen für Satelliten vergibt, sondern lediglich sicherstellt, dass Funkfrequenzen weltweit organisiert sind. SpaceX hat über die US-Regierung Frequenznutzungsrechte bei der ITU angemeldet, um Konflikte mit anderen Nutzern zu vermeiden.
Für den Betrieb von Starlink-Diensten auf der Erde benötigt SpaceX zudem in jedem Land lokale Genehmigungen für den Verkauf und Betrieb der Empfangsgeräte, zum Beispiel in Deutschland durch die Bundesnetzagentur. Diese Lizenzen betreffen jedoch nur die Bodenseite des Dienstes, nicht die Satelliten im Orbit.
Anzeige
Starlink – Ein Problem für die Radioastronomie
Starlink-Satelliten senden nachweislich außerhalb der ihnen zugewiesenen Frequenzbereiche – teilweise direkt in geschützte Bereiche. Die Emissionen stammen offenbar aus elektronischen Untersystemen wie dem Antrieb oder der Avionik und werden auch bei Satelliten auf finaler Umlaufbahnhöhe beobachtet. Die Strahlung ist spektral breitbandig, polarisiert und weist eine zeitlich-variable spektrale Struktur auf. Der geschätzte mittlere Flussdichtewert dieser UEMR liegt bei etwa 93 Jy/Beam – fünf Größenordnungen über der Toleranzgrenze für SKA-Experimente zur Epoch of Reionization (EoR).
Hintergrund: Square Kilometre Array (SKA)
Das SKA ist ein weltweit einzigartiges Radioteleskop-Projekt mit einem Verbund aus Tausenden Antennen in Australien und Südafrika. Es wird s extrem schwache Radiosignale aus dem All empfangen und so die Entstehung der ersten Sterne, die Verteilung dunkler Materie, aber auch mögliche Signale außerirdischer Intelligenz im Rahmen von SETI erforschen.
Künstlerische Darstellung de Square-Kilometre-Array (SKA). Copyright: SPDO/TDP/DRAO/Swinburne Astronomy Productions – SKA Project Development Office and Swinburne Astronomy Productions, CC BY-SA
Durch die Vernetzung vieler Antennen entsteht ein virtuelles Teleskop mit enormer Empfindlichkeit. Das SKA ist ein internationales Gemeinschaftsprojekt, das ab etwa 2027 erste Daten liefern und die Astronomie revolutionieren soll, indem es uns völlig neue Einblicke ins Universum ermöglicht.
Schon zuvor hatten Studie zum europäischen LOFAR-Projekt und dem Murchison Widefield Array (MWA) auf entsprechenden Auswirkungen der Starlink-Satellitenkonstellationen hingeweisen. Die aktuelle Analyse übertrifft diese nun jedoch sowohl in Umfang als auch Präzision.
Anzeige
Reflektionen terrestrischer Signale
Am frühen Morgen des 18. November 2019 nahmen Astronomen im Cliff Johnson von der Northwestern University mit der “Dark Energy Camera” des Blanco Telescope am Cerro Tololo Inter-American Observatory diese 6 Minuten währende Langzeitbelichtung auf, während derer 19 Starlink-Satelliten ihre Linien-Spuren auf der Aufnahme hinterließen. Die Aufnahmen entstanden im Rahmen der “DELVE Survey”, mit der die Außenregionen der Magellanschen Wolken, sowie ein Großteil des südlichen Himmels nach Zwerggalaxien um die Wolken und die Milchstraße abgesucht werden. Copyright: DELVE Survey / CTIO / AURA / NSF
Neben den Emissionen der Satelliteneinheiten selbst identifizierte die Studie auch Reflexionen von UKW-Radiosignalen (z. B. bei 99,70 MHz) an Starlink-Satelliten. Dies wird durch die spezifische Satellitenorientierung begünstigt – insbesondere während der Phase des Orbit-Transfers, bei der die Solarpaneele so ausgerichtet werden, dass sie minimalen Luftwiderstand bieten, gleichzeitig aber als Reflektorfläche fungieren können.
Derzeit reguliert die ITU reguliert derzeit nur beabsichtigte Übertragungen von Satelliten – nicht jedoch unbeabsichtigte Emissionen durch die Systeme an Bord – eine ernsthafte Regulierungslücke. Wie die Forscher berichten, laufen derzeit zwar erste Gespräche, doch sind bislang keine technischen oder rechtlichen Maßnahmen implementiert, um die UEMR-Problematik zu lösen.
Anzeige
Bedeutung für die Zukunft
Mit über 7.000 Starlink-Satelliten im Orbit und ständigen Neuzugängen – allein 477 in den vier Monaten der Datenaufnahme – wachs das Risiko für die Radioastronomie rapide, so die Studie. Die EDA2-Daten zeigen eindeutig, dass ohne technische oder regulatorische Gegenmaßnahmen hochsensitive Messungen (z. B. zum EoR) möglicherweise nicht mehr durchführbar sind.
Die massive Zunahme von Starlink-Satelliten verursache ein bislang unterschätztes Problem für die Radioastronomie, vor allem im für SKA-Low kritischen Frequenzbereich, so die Autoren abschließend. Mit ihrer Studie liefern sie die bislang umfassendste Datengrundlage für diese Schlussfolgerung und rufen dazu auf, regulatorische Lücken zu schließen sowie den Dialog zwischen Industrie (z. B. SpaceX) und Wissenschaft dringend auszubauen.
Unterstützen Sie die tagliche journalistische Arbeit an GreWi
Wenn Sie GreWi unterstützen möchten, so können Sie dies am besten mit einem freiwilligen GreWi-Unterstützer-Abo tun – und erhalten dafür auch noch themenbezogenen Gegenleistungen und nehmen an allen unseren Buch- und Filmverlosungen teil.