Ist 3I/ATLAS ein außerirdisches Raumschiff? Kontroverse um das dritte interstellare Objekt
Cambridge (USA) – Erst vor wenigen Wochen entdeckt, ist bereits eine wissenschaftliche Kontroverse um die mögliche Natur des dritten im Sonnensystem entdeckten Objekts interstellarer Herkunft entbrannt. Während die meisten Astronomen Hinweise auf eine Kometen-Hülle sehen, stellt der Harvard-Astrophysiker Prof. Avi Loeb diese infrage und stellt stattdessen einmal mehr die Möglichkeit in den Raum, dass „3I/ATLAS“ ein künstliches Objekt sein könnte.

Copyright/Quelle: M.R. Alacron et al., III/IAC 2025
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Ein weiterhin rätselhaftes Objekt
Das Objekt selbst wurde am 1. Juli 2025 erstmals entdeckt und konnte mittlerweile anhand der bislang beobachteten Parameter wie Umlaufbahn, Geschwindigkeit und Helligkeit als von außerhalb des Sonnensystems stammend nachgewiesen werden. Aus Richtung des Sternbilds Schütze kommend, bewegt sich „3I/ATLAS“ derzeit mit etwa 217.000 Kilometern pro Stunde auf das innere Sonnensystem zu und wird hier – so bisherige Prognosen eintreffen – am 30. Oktober 2025 rund 210 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, seinen sonnennächsten Punkt (knapp innerhalb der Marsumlaufbahn) erreichen. Eine Gefahr für die Erde besteht also nicht.
Da sich das Objekt derzeit noch ca. 490 Millionen Kilometer von der Erde entfernt befindet, können Astronomen seine Größe nicht direkt messen. Allerdings lassen sich anhand seiner Helligkeit, also der Menge des Sonnenlichts, das von seiner Oberfläche reflektiert wird, indirekt Rückschlüsse auf seine Größe ziehen.
Sollte es sich um einen Kometen handeln, so wäre dieser dann mit rund 20 Kilometern ungewöhnlich groß und würde seine beiden Vorgänger, die interstellaren Objekte 1I/’Oumuamua und den Kometen 2I/Borisov um ein Vielfaches übertreffen.
Zweifel an Kometen-Erklärung
In mehreren Artikeln auf Medium.com hat Loeb mittlerweile seine Gedanken und Hypothesen zu 3I/ATLAS dargelegt. Zudem hat Loeb gemeinsam mit Adam Hibberd und Adam Crowl von der „Initiative for Interstellar Studies“ einen Fachartikel vorab veröffentlicht, der auch in einer kommenden Ausgabe des astronomischen Fachjournals „Research Notes of the AAS“ erscheinen soll. Darin legt Loeb seine Argumente gegen die Vorstellung von 3I/ATLAS als Kometen dar. Für einen Kometen natürlichen Ursprungs sei das Objekt schlichtweg viel zu groß.
Tatsächlich wäre ein Komet von 20 Kilometern Durchmesser eher ungewöhnlich – jedoch nicht ausgeschlossen. Alternativ könnte es sich auch um einen kleineren Kometen handeln, der aufgrund einer sehr hellen Hülle aus Staub und Gasen derzeit so ungewöhnlich groß erscheint.
Erste Anzeichen für eine solche Hülle, eine sogenannte Koma, sehen zahlreiche Astronomen denn auch schon auf den mittlerweile vorliegenden ersten Aufnahmen von 3I/ATLAS. Unter anderem beschreibt ein Astronomenteam um Miguel. R. Alacron eine Aufnahme vom 3. Juli, auf der sie „kometenartige Aktivität“ (also Ausgasungen, das Verdampfen von Eis und so das Entstehen einer Koma) buchstäblich bildhaft beschreiben (s. Titelabbildung).
Loeb selbst sieht dies jedoch kritisch und bezweifelt die Eindeutigkeit der bisherigen Aufnahmen. Zudem sei es „schwer, sich einen natürlichen Prozess vorzustellen, der einen Sturz eines derart großen Objekts ins innere Sonnensystem mit 60 Kilometern pro Sekunde begünstigt. “Alternativ schlägt Loeb vor, „dass das Objekt das innere Sonnensystem gezielt ansteuert – durch ein technisches Design.“
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In der Tat enden (noch) offenen Fragen zu „3I/ATLAS“ nicht bei seiner Größe. In seinem diskutieren Loeb und Kollegen weiter, was nötig wäre, damit ein Objekt dieser Größe die Erde erreichen kann. Hierzu haben die beiden Wissenschaftler statistische ermittelt, wie viele solcher 20-Kilometer-Objekte in der Milchstraße existieren könnten. Das Ergebnis multipliziert mit der angenommenen Masse von 3I/ATLAS führe zu einem absurden Ergebnis von etwa einem Viertel der Masse aller Sterne in der Milchstraße.“ Da aber nur etwa zwei Prozent der Sternmasse aus schweren Elementen bestehen, die Gesteine bilden, gebe es schlicht nicht genug Material, um so viele Objekte dieser Größe entstehen zu lassen, führt Loeb weiter aus und schlussfolgert deshalb: „3I/ATLAS ist viel seltener, als sein Auftauchen im Sonnensystem vermuten lässt. (…) Objekte dieser Größe sind zu selten, um rein zufällig im inneren Sonnensystem aufzutauchen.“ Zudem verweist Loeb auf den Kurs des Objekts, der dieses direkt ins innere Sonnensystem führt. „Da stellt sich doch die Frage, warum es in diese Richtung geschickt wurde?“
Ein Raumschiff?
In ihrem Artikel „Is the Interstellar Object 3I/ATLAS Alien Technology?“ gehen Loeb, Hibberd und Crowl noch einen hypothetischen Schritt weiter und erläutern:
„Wir zeigen, dass sich 3I/ATLAS überraschend nahe an Venus, Mars und Jupiter annähert – mit einer Wahrscheinlichkeit von ≲ 0,005 %. Darüber hinaus bietet die geringe retrograde Neigung der Umlaufbahn von 3I/ATLAS gegenüber der Ekliptik verschiedene Vorteile für eine außerirdische Intelligenz (ETI), da sie dem Objekt einen weitgehend ungehinderten Zugang zu unserem Planeten ermöglicht.
Die Sonnenfinsternis durch die Erde auf 3I/ATLAS am Perihel würde es dem Objekt erlauben, ein verdecktes „umgekehrtes solares Oberth-Manöver“ durchzuführen – eine optimale Hochschubstrategie für interstellare Raumfahrzeuge, um abzubremsen und so an die Sonne gebunden zu bleiben. Ein optimaler Abfangkurs zur Erde würde eine Ankunft Ende November/Anfang Dezember 2025 erfordern. (…)“
In einem Interview mit der britischen Daily Mail zieht Loeb zur Frage nach der Natur des Objekts Parallelen zu Arthur C. Clarks Roman „Rendezvous mit 31/439“ (Originaltitel: Rendezvous with Rama), in dem sich ein interstellares Objekt als Raumschiff einer fortgeschrittenen Zivilisation herausstellt.

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Viele Antworten auf noch unbeantwortete Fragen rund um „3I/ATLAS“ hängen von der Frage nach dessen Zusammensetzung und tatsächlicher Größe ab – auch die nach einem möglichen außerirdischen Artefakt: Eine alternative Erklärung für die derzeit scheinbare Größe von 20 Kilometern Durchmesser wäre die, dass das Objekt deutlich kleiner, dafür aber viel reflektierender ist als ein typischer fester Asteroid, wobei die Diskussion wieder bei einem Kometen angelangt ist. Tatsächlich würde in diesem Fall alleine die Sonnenwärme die Oberfläche des Kometen aus Eis und Staub zu einer Staub-Gas-Hülle verdampfen lassen, die dann viel Licht reflektiert.
Kritik an Raumschiff-Hypothese
Die bisherigen Hinweise auf einen Kometen nutzt denn auch der Astronom Prof. Jason Wright von der Penn State University für eine weitere ebenso harsche wie umfassende Kritik an Loebs Überlegungen über ein außerirdisches Raumschiff.
„3I/ATLAS ist zwar superinteressant, und wir werden viel davon lernen. Ich habe auch nichts dagegen, es als Fallstudie dafür zu nutzen, wie wir gewöhnliche Asteroiden und Kometen von [außerirdischen] Technologien unterscheiden können – im Gegenteil, ich finde, das ist eine großartige Übung!“ so Wright abschließend. „Aber es gibt keinen Grund, so zu tun, als gäbe es irgendeinen Anlass zu glauben, dass gerade ‚3I/ATLAS‘ kein Komet ist. Und es ist völlig unangebracht, so leichtfertig (und fälschlicherweise!) die harte Arbeit anderer Fachexperten abzutun.“
Loeb selbst sieht seine Überlegungen weiterhin gerechtfertigt und verweist zugleich aber auch auf den Umstand, dass sie ihren aktuellen Artikel tatsächlich zunächst „hauptsächlich als pädagogische Übung“ verstanden haben wollen. Durch eine weiterführende Analyse der Astrodynamik von 3I/ATLAS stelle dieser dann aber tatsächlich die „Hypothese“ auf, „dass es sich um ein technologisches und vielleicht sogar feindliches Objekt handeln könnte“. Damit liefere der Artikel einen Ansatz im, Rahmen der „Dark Forest“-Lösung des Fermi-Paradoxon.“
Hintergrund
Das Fermi-Paradoxon beschreibt den Widerspruch zwischen der hohen Wahrscheinlichkeit außerirdischer Zivilisationen im Universum und dem völligen Fehlen beobachtbarer Hinweise auf deren Existenz. Die „Dark Forest“-Lösung dieses vermeintlichen Widerspurchs besagt, dass Zivilisationen sich absichtlich verstecken, weil jedes andere intelligente Leben potenziell eine existenzielle Bedrohung darstellt. Schließlich ist es „in einem dunklen Wald“ sicherer, selbst still zu bleiben, als durch auffallendes Verhalten entdeckt zu werden.
„Die gute Nachricht ist, dass 3I/ATLAS sich der Sonne nähert und durch Sonnenlicht aufgeheizt wird“ so Loeb abschließend. „Je mehr es sich erhitzt, desto mehr Masse würde es verlieren, wenn es ein Komet ist. Umso einfacher wird es für uns aber auch, herauszufinden, worum es sich handelt.“
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Recherchequellen: avi-loeb.medium.com, lweb.cfa.harvard.edu, DailyMail.co.uk, sites.psu.edu/astrowright
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