`Oumuamua: Interstellarer „Besucher“ entwickelt unerwartet Schub

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Künstlerische Darstellung des ersten bekannten interstellaren Objekts (`Oumuamua), das unser Sonnensystem durchflog.

Copyright: ESA/Hubble, NASA, ESO, M. Kornmesser

Frascati (Italien) – Eigentlich gingen Astronomen bislang davon aus, dass es sich bei dem ersten direkt entdeckten, interstellaren Objekt, das unser Sonnensystem durchflogen hat und das als `Oumuamua bezeichnet wird, um einen interstellaren Asteroiden handelt. Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen zeigen nun, dass sich das Objekt beim Verlassen des Sonnensystems unerwartet schneller bewegt als vorhergesagt. Der Schub, den das Objekt dabei entwickelt, lässt sich auch durch eine Schwerkraftwechselwirkung mit einem Körper des Sonnensystems erklären. Die Astronomen haben allerdings auch schon eine Idee.

Wie die internationale astronomische Kollaboration um Marco Micheli von der europäischen Raumfahrtagentur ESA aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-018-0254-4) berichtet, entfernt sich `Oumuamua  also schneller als erwartet von der Sonne.

Die neuen Ergebnisse der in der Studie zusammengefassten Beobachtungen mit dem „Very Large Telescope“ (VLT) der ESO, dem NASA/ESA-Weltraumteeskop „Hubble“ sowie weiteren Observatorien deuten laut den Autoren des Artikels darauf hin, „dass `Oumuamua höchstwahrscheinlich ein interstellarer Komet und kein Asteroid ist.

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Seit seiner Erstentdeckung im vergangenen Oktober (…GreWi berichtete) wird `Oumuamua intensiv untersucht: „Der gemessene Geschwindigkeitsgewinn ist zwar winzig und `Oumuamua verlangsamt sich immer noch durch den Zug der Sonne – nur nicht so schnell wie von der Himmelsmechanik vorhergesagt.“

In ihren Fachartikel diskutieren die Wissenschaftler mehrere Szenarien, um die Geschwindigkeit dieses besonderen interstellaren Besuchers zu erklären und kommen zu folgender Überlegung: „Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass `Oumuamua durch Sonneneinstrahlung Material von seiner Oberfläche abgibt – ein Verhalten, das als Ausgasen bezeichnet wird. Der Drall dieses ausgestoßenen Materials soll den kleinen, aber stetigen Schub liefern, der `Oumuamua schneller als erwartet aus dem Sonnensystem schießt – am 1. Juni 2018 hat er sich mit rund 114.000 Kilometern pro Stunde bewegt.“


Dieses Diagramm zeigt die Umlaufbahn des interstellaren Objekts `Oumuamua beim Durchlaufen des Sonnensystems. Es zeigt den vorhergesagten Weg von `Oumuamua und den neuen Kurs unter Berücksichtigung der neu gemessenen Geschwindigkeit des Objekts.

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Copyright: ESA

Während ein solches Ausgasen für einen Asteroiden ungewöhnlich wäre – ist es aber für einen Kometen ein ganz typisches Verhalten. Allerdings widerspricht diese Einstufung der bisherigen Klassifizierung von `Oumuamua als interstellarer Asteroid. „Wir denken, es ist in Wirklichkeit ein winziger, seltsamer Komet“, kommentiert Marco Micheli. „Wir können an den Daten erkennen, dass sein Schub umso geringer wird, je weiter er von der Sonne entfernt ist, was typisch für Kometen ist.“

Wenn Kometen von der Sonne erwärmt werden, stoßen sie Staub und Gas aus, das eine Materialwolke – Koma genannt – um sie herum bilden (siehe Titelabbildung), sowie den charakteristischen Schweif. Allerdings konnte das Forscherteam keine sichtbaren Hinweise auf Ausgasungen feststellen.

„Wir haben keinen Staub, keine Koma oder gar einen Schweif gesehen, was ungewöhnlich ist“, erklärt Karen Meech von der University of Hawaii in den USA, die die die Charakterisierung von `Oumuamua im Jahr 2017 leitete.  „Wir denken, dass Oumuamua ungewöhnlich große, grobe Staubkörner abgeben kann.“

Die Astronomen spekulieren, dass vielleicht die kleinen Staubkörner, die die Oberfläche der meisten Kometen bedecken, während `Oumuamuas Reise durch den interstellaren Raum erodiert sind, so dass nur noch größere Staubkörner übriggeblieben sind. „Obwohl eine Wolke dieser größeren Partikel nicht hell genug wäre, um bemerkt zu werden, würde dies die unerwartete Änderung der Geschwindigkeit von `Oumuamua erklären.“

Nicht nur `Oumuamuas angenommenes Ausgasen sei ein ungelöstes Geheimnis, gleiches gelte auch noch immer für seinen interstellaren Ursprung. Hierzu führte das Team ursprünglich die neuen Beobachtungen an `Oumuamua durch, um seine Flugbahn genau zu bestimmen, was hätte erlauben sollen, das Objekt zu seinem ursprünglichen Sternsystem zurückzuverfolgen. Die neuen Ergebnisse gestalten dieses Unterfangen nun schwieriger: „Die wahre Natur dieses rätselhaften interstellaren Nomaden mag ein Rätsel bleiben“, schließt Teammitglied Olivier Hainaut, Astronom bei der ESO. „`Oumuamuas kürzlich festgestellter Geschwindigkeitsgewinn macht es viel schwieriger, den Weg zurückzuverfolgen, den er von seinem extrasolaren Heimatstern genommen hat.“

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