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Tiefsee-Tauchboot entdeckt vielfältiges mehrzelliges Ökosystem in fast 9,5 Kilometern Tiefe

Peking (China) – Am Grund des Marianengrabens im westlichen Pazifik haben chinesischen Wissenschaftler mit dem Tiefsee-Tauchboot „Fendouzhe“ (Streiter) in rund 9,5 Kilometern Tiefe die bislang tiefte Lebensgemeinschaft tausender mehrzelliger Lebewesen entdeckt. Der Fund stellt etablierte Annahmen über die Grenzen des Lebens auf der Erde grundlegend infrage und gibt Hinweise auf bislang verborgene Lebensformen in den Tiefen unserer eigenen und die mögliche Vielfalt des Lebens ferner außerirdischer Ozeane.

Künstlerische Umsetzung der Entdeckung des „lebendigen Flusses“ (Illu.).Copyright/Quelle: Institute of Deep-sea Science and Engineering, CAS (IDSSE, CAS)
Künstlerische Umsetzung der Entdeckung des „lebendigen Flusses“ (Illu.).
Copyright/Quelle: Institute of Deep-sea Science and Engineering, CAS (IDSSE, CAS)

Wie das internationale Team um Xiaotong Peng und Mengran Du von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-025-09317-z) berichtete, stieß das Tauchboot in rund 9.533 Metern Tiefe und damit fern jeden Sonnenlichts auf umfangreiche Kolonien von Röhrenwürmern und Muscheln. Damit handelt es sich um das tiefstgelegene bislang bekannte Ökosystem mehrzelliger Organismen.

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Chemosynthese: Komplexes Leben ohne Licht

In dieser extremen Umgebung, wo der Wasserdruck rund 1.100 bar beträgt, also das mehr als Tausendfache des Luftdrucks auf Meereshöhe, kann kein Sonnenlicht mehr vordringen. Dennoch gedeihen hier komplexe Lebensformen. Die Grundlage ihrer Existenz ist die sogenannte Chemosynthese: Mikroorganismen wandeln dabei chemische Stoffe wie Methan oder Schwefelwasserstoff, wie sie aus Spalten im Meeresboden austreten, in Energie um. Diese Mikroben dienen wiederum als Nahrungsgrundlage für größere Organismen wie Würmer, Muscheln und Krebse.

Laut der veröffentlichten Studie zeigt sich, dass sich Röhrenwürmer bevorzugt in der Nähe dieser methanproduzierenden Mikrobenmatten ansiedeln. Dies deuten die Forschenden wiederum als einen Hinweis auf eine symbiotische Beziehung, wie man sie auch von sogenannten Schwarzen Rauchern (hydrothermalen Quellen) kennt, jedoch bisher nicht aus solchen extremen Tiefen.

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Ausgedehntes, bisher unbekanntes Ökosystem

Im Rahmen der Untersuchung führten die Forscher zwischen August und Oktober 2024 insgesamt 23 bemannte Tauchgänge durch. Dabei stießen sie auf eine Vielzahl bislang unbekannter oder nur aus deutlich geringeren Tiefen bekannter Tierarten. Darunter Röhrenwürmer mit einer Länge von bis zu 30 Zentimetern, Seelilien mit federartigen Armen, verchiedene Muscheln und Weichtiere wie Seegurken, aber auch frei schwebende Tiefsee-Würmer sowie bizarre, stachelige Krebstiere.

Die beeindruckenden Videoaufnahmen zeigen dichte Felder dieser Tiere, die sich entlang von Spalten und Rissen im Meeresboden aufreihen. Die Forscher selbst sprechen hier von einem „lebendigen Fluss chemosynthetischen Lebens“.

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Der tiefste bekannte Lebensraum für Tiere

„Dies ist die tiefste und zugleich umfangreichste chemosynthetische Lebensgemeinschaft, die jemals auf der Erde entdeckt wurde“, heißt es in der Studie. Angesichts ähnlicher geologischer Gegebenheiten in anderen Tiefseegräben vermuten die Forscher, dass solche extremen Lebensräume weitaus verbreiteter sein könnten als bisher angenommen.

Blick auf Lebensformen in 9.533 Metern Tiefe.Copyright/Quelle: Institute of Deep-sea Science and Engineering, CAS (IDSSE, CAS)
Blick auf Lebensformen in 9.533 Metern Tiefe.
Copyright/Quelle: Institute of Deep-sea Science and Engineering, CAS (IDSSE, CAS)

Besonders bemerkenswert: Neben einzelligen Mikroben wurden in dieser Tiefe erstmals auch mehrzellige Tiere in nennenswerter Anzahl beobachtet. Ein Beleg dafür, dass komplexes Leben auch unter extremsten Bedingungen möglich ist.

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Politischer Druck durch Tiefseebergbau

Nicht nur die Entdeckung selbst ist beeindruckend und faszinierend, sondern auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist brisant: Zahlreiche Staaten, darunter China und die USA,  treiben derzeit ihre Ambitionen für den Tiefseebergbau voran. Sie erhoffen sich Zugang zu wertvollen Rohstoffen wie Kobalt, Nickel und sogenannte Seltenen Erden. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen jedoch, dass diese kaum erforschten und empfindlichen Ökosysteme durch den industriellen Eingriff unwiederbringlich zerstört werden könnten.

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Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) hat bislang noch keine verbindlichen Regeln für den Abbau in internationalen Gewässern verabschiedet. Die neue Studie dürfte der Debatte weiteren Auftrieb geben.

Astrobiologische Relevanz?

Neben diesen irdischen Auswirkungen könnten die Funde zudem Implikationen für die Suche nach außerirdischem Leben haben: Ähnliche Bedingungen wie in der Tiefsee herrschen etwa unter den Eispanzern der Jupiter- und Saturnmonde Europa und Enceladus. Sollten dort geothermisch bedingte Methanquellen existieren, wären also auch dort chemosynthetisches Ökosysteme und komplexes Leben denkbar.

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Recherchequelle: Nature

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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