Felsgravuren geben Hinweise auf die Ursprünge der ägyptischen Könige
Viroonval (Belgien) – Ein Felskunst-Panel nahe Assuan in Ägypten könnte ein seltenes Beispiel für eine elitäre Darstellung aus der Ersten Dynastie Ägypten darstellen und damit neue Erkenntnisse zur Entstehung des altägyptischen Staates liefern.

Copyright/Quelle: Dorian Vanhulle, AKAP, Antiquity 2025
Wie Dr. Dorian Vanhulle vom Musée du Malgré-Tout aktuell im archäologischen Fachjournal „Antiquity“ (DOI: xxx) berichtet, war das späte 4. Jahrtausend v. Chr. eine Schlüsselperiode in der ägyptischen Geschichte, in der die politische Vereinigung ganz Ägyptens begann, was schließlich zur Staatsbildung unter dem ersten Pharao, Narmer, um 3100 v. Chr. führte.
Allerdings ist wenig darüber bekannt, wie genau dieser entscheidende prähistorische Prozess ablief. „Die Staatsbildung im alten Ägypten und die Prozesse, die dazu führten, sind nach wie vor schwer zu erfassen“, erklärt Vanhulle.
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Die Felskunst des unteren Niltals biete das Potenzial, die frühesten Formen politischer Macht in dieser Region zu identifizieren und zu analysieren, erläutert der Wissenschaftler weiter. Hier zeige sich, wie die Landschaft genutzt wurde, um Autorität auszudrücken und zu festigen. Allerdings ist die Anzahl relevanter Beispiele begrenzt. Das nun beschriebene Petroglyphen-Panel zeige nun möglicherweise ein frühes Beispiel einer politischen Elitefigur Ägyptens.
Die gut erhaltene zeigt ein verziertes Boot, das von fünf Figuren gezogen wird. Eine stehende Figur bewegt das Boot mit einem Ruder, während eine weitere Figur auf einer Struktur sitzt, die als Sänfte interpretiert wird.

Copyright/Quelle: Dorian Vanhulle, AKAP, Antiquity 2025
„Boote gehören zu den am häufigsten wiederkehrenden Motiven in der ägyptischen Ikonografie“, sagt Dr. Vanhulle. „Während der prädynastischen und protodynastischen Perioden (ca. 4500–3085 v. Chr.), also der Epochen vor dem pharaonischen Ägypten, war das Boot allgegenwärtig und mit komplexen ideologischen und symbolischen Bedeutungen aufgeladen.“
Um das Alter dieses Panels zu bestimmen, verglich der Forscher die Petroglyphe mit anderen Darstellungen von Booten in vorpharaonischer Kunst und Handwerkskunst. Dieser Vergleich legt nahe, dass die Felskunst während des Übergangs von der protodynastischen zur frühdynastischen Zeit entstand und damit zu jener Zeit, in der sich der ägyptische Staat erstmals formte – Jahrhunderte vor dem Bau der ersten Pyramiden.
Wichtig sei, dass das Panel deutliche stilistische und ikonografische Übereinstimmungen mit der offiziellen Bildsprache am Ende der protodynastischen Periode aufweist, bis hin zur Regierungszeit von Narmer, so Vanhulle weiter. So habe die sitzende Figur beispielsweise ein verlängertes Kinn, das möglicherweise den künstlichen Bärten entspricht, die ägyptische Könige seit der Ersten Dynastie trugen.
Dies wiederum legt nahe, dass es sich bei der sitzenden Figur um ein Mitglied der herrschenden Klasse am Beginn der Ersten Dynastie handelt.
Zudem deute die hohe künstlerische Qualität des Bildes darauf hin, dass es von einer frühen politischen Autorität in Auftrag gegeben wurde – ein Hinweis darauf, dass Felskunst ein zentrales Mittel der frühen ägyptischen Eliten war, um ihre Macht zu kommunizieren.

Copyright/Quelle: Dorian Vanhulle, AKAP, Antiquity 2025
Diese Erkenntnis habe nun bedeutende Auswirkungen auf unser Verständnis der Ursprünge des ägyptischen Staates: „Das Felsbild ist eine wichtige Ergänzung zum bestehenden Korpus von Gravuren, die uns helfen können, die Rolle der Felskunst bei den entscheidenden Ereignissen, die zur Bildung des ägyptischen Staates führten, besser zu verstehen“, erklärt Dr. Vanhulle. „Felskompositionen wurden zu einem Instrument der Autoritäten, um zu kommunizieren, die Landschaft zu markieren und ihre Macht zu behaupten.“
Zugleich verweise der Fund auf die Dringlichkeit, die Felskunst möglichst rasch zu dokumentieren: „Die Landschaft des Tals und seiner Wüstenränder wird derzeit – unter anderem durch Bergbau und Steinbruchaktivitäten – unwiederbringlich verändert“, so Dr. Vanhulle abschließend. „Die Dringlichkeit von Rettungsmissionen wie jener, die zur Entdeckung des besprochenen Panels geführt hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.“
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Recherchequelle: Antiquity
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