Neue Studie: Dehnt sich das Universum gar nicht mehr aus?
Seoul (Südkorea) – Eine aktuelle Studie stellt die bisher wohl grundlegendste Annahme der modernen Kosmologie infrage: die beschleunigte Expansion des Universums. Demnach deuten neue Daten darauf hin, dass sich die Expansion des Alls nicht mehr weiter beschleunigt, sondern bereits angefangen hat, sich zu verlangsamen.

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Wie das Team um um Prof. Young-Wook Lee und Junhyuk Son von der Yonsei University in Südkorea aktuell im Fachjournal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ (DOI: 10.1093/mnras/stac2840) berichtet, könnte die mysteriöse „Dunkle Energie“, die als treibende Kraft hinter der kosmischen Beschleunigung gilt, im Laufe der Zeit schwächer werden.
Epochale Wende in der Kosmologie?
Seit dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren dehnte sich das Universum zunächst rasch aus, verlangsamte sich dann durch Gravitation und beschleunigte ab etwa neun Milliarden Jahren erneut – angeblich angetrieben durch die Dunkle Energie, die rund 70 % des Kosmos ausmachen soll. Doch ihre wahre Natur blieb rätselhaft. Nun mehren sich die Hinweise, dass diese Kraft nicht konstant ist, sondern schwächer wird – mit womöglich weitreichenden Folgen für das Schicksal des Universums.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sprechen von einer möglichen „epochalen Wende“ in der Kosmologie: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Universum in der Gegenwart bereits eine Phase verlangsamter Expansion erreicht hat und dass sich die Dunkle Energie deutlich schneller verändert, als bisher angenommen.“ Sollte sich dies bestätigen, stünde ein Paradigmenwechsel bevor – vergleichbar mit der Entdeckung der Dunklen Energie vor 27 Jahren.
Seit Ende der 1990er Jahre gilt als gesichert, dass das Universum sich immer schneller ausdehnt. Grundlage dafür waren Helligkeitsmessungen entfernter Typ-Ia-Supernovae, die als sogenannte Standardkerzen zur Bestimmung kosmischer Distanzen dienen. Für diese Entdeckung erhielten Forscher 2011 den Nobelpreis für Physik. Doch genau diese Messmethode steht nun im Zentrum der neuen Kritik.
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Das Team um Yonsei fand nun heraus, dass die Helligkeit von Typ-Ia-Supernovae stark vom Alter der Sterne abhängt, aus denen sie entstehen. Auch nach der üblichen Standardisierung ihrer Leuchtkraft zeigten sich systematische Abweichungen: Supernovae jüngerer Sternpopulationen erscheinen schwächer, solche älterer heller. In einer Analyse von 300 Galaxien konnte dieser Effekt mit einer Signifikanz von 99,999 % bestätigt werden. Die bislang beobachtete Abschwächung ferner Supernovae, die als Hinweis auf eine beschleunigte Expansion galt, könnte also teilweise schlicht auf astrophysikalische Alterseffekte zurückgehen – nicht auf kosmologische.
ΛCDM-Modell im Zweifel
Nach der Korrektur dieser sogenannten Altersverzerrung passten die Daten nicht mehr zum etablierten ΛCDM-Modell, das von einer konstanten Dunklen Energie ausgeht. Stattdessen deckten sie sich deutlich besser mit einem zeitveränderlichen Dunkle-Energie-Modell, das auch durch Messungen des „Dark Energy Spectroscopic Instrument“ (DESI) gestützt wird. Dieses Modell basiert auf der Analyse sogenannter baryonischer akustischer Oszillationen (BAO) – Überreste der „Schallwellen“ des frühen Universums – sowie auf Daten der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB).
Dunkle Energie schwächt sich ab
In Kombination mit den korrigierten Supernova-Daten ergab sich ein konsistentes Bild: Die Dunkle Energie scheint sich im Lauf der Zeit abzuschwächen – und die Expansion des Universums hat demnach bereits in die Bremsphase übergegangen. Das Standardmodell der Kosmologie wird damit „mit überwältigender Signifikanz“ ausgeschlossen, so die Autoren.
Zum Vergleich: Frühere DESI-Analysen, die noch unbereinigte Supernova-Daten verwendeten, kamen zu dem Schluss, dass die Expansion zwar irgendwann abnimmt, derzeit aber noch beschleunigt. Lees Team widerspricht dem nun ausdrücklich: „Unsere korrigierte Analyse zeigt, dass die Verlangsamung bereits eingesetzt hat und dies im Einklang mit den unabhängigen BAO- und CMB-Ergebnissen, die bislang kaum beachtet wurden.“
Um diese revolutionäre Aussage zu überprüfen, führen die Forschenden derzeit einen sogenannten „evolutionsfreien Test“ durch, bei dem ausschließlich Supernovae aus gleichaltrigen Galaxien analysiert werden. Erste Resultate stützen die Hauptthese bereits.
Entscheidende Fortschritte erwartet man in den kommenden Jahren durch das neue Vera C. Rubin Observatory in Chile. Mit seiner gigantischen Digitalkamera soll es bis zu 20.000 neue Supernova-Galaxien entdecken und deren Altersstrukturen präzise bestimmen. Das könnte die Kosmologie auf eine völlig neue Grundlage stellen.
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Recherchequelle: Royal Astronomical Society
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