Irdische Edelgase auf dem Mond belegen Theorie zur Mondentstehung

Künstlerische Darstellung des Mondes in Folge einer gewaltigen Kollision eine etwa Mars-großen Himmelskörpers mit der jungen Erde (Illu.). Copyright: NASA/JPL-CalTech/T. Pyle.
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Künstlerische Darstellung des Mondes in Folge einer gewaltigen Kollision eine etwa Mars-großen Himmelskörpers mit der jungen Erde (Illu.). Copyright: NASA/JPL-CalTech/T. Pyle.

Künstlerische Darstellung des Mondes in Folge einer gewaltigen Kollision eine etwa Mars-großen Himmelskörpers mit der jungen Erde (Illu.).
Copyright: NASA/JPL-CalTech/T. Pyle.

Zürich (Schweiz) – Forschende der ETH Zürich haben den ersten eindeutigen Beweis dafür gefunden, dass der Mond Edelgase aus dem urzeitlichen Erdmantel geerbt hat. Die Entdeckung hilft zu verstehen, wie der Mond und vielleicht auch die Erde und weitere Himmelskörper entstanden sind.

Wie das Team um Henner Busemann, Professor am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich aktuell im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.abl4920) berichtet, finden sich auf dem die Edelgase Helium und Neon, die so aus dem Erdmantel stammen.

Mit der Entdeckung stützen die Forschenden die derzeit favorisierte „Giant Impact“-​Theorie zur Entstehung des Erdenmondes. Diese geht davon aus, dass der Mond durch eine gewaltige Kollision zwischen der frühen Erde und einem etwa Mars-großen Himmelskörper entstanden ist. „Unsere Entdeckung bedeutet, dass in der Giant-​Impact-Theorie auch die Edelgase als Faktor einzubeziehen sind“, so Busemann.

Für ihre Analysen hat Busemanns Doktorandin Patrizia Will sechs Proben von Mondmeteoriten untersucht, die von der NASA in der Antarktis gesammelt und für die Untersuchungen zur Verfügung gestellt wurden. In diesen Meteoritenproben konnte Will unter anderem den Gehalt der Edelgase Neon und Helium bestimmen. „Diese waren in einer viel größeren Menge vorhanden als erwartet und nur im separierten Glas, was den Sonnenwind als Quelle für die Edelgase ausschloss. Sie mussten also aus dem Innern des Mondes kommen und damit letzten Endes von der Erde vererbt sein. Dass wir zum ersten Mal Edelgase in basaltischen Materialien vom Mond gefunden haben, die nicht aus dem Sonnenwind stammen können, ist eine aufregende Entdeckung.“

Dünnschliff einer Mond-Meteoriten-​Probe, LAP 02436, Lunar Mare Basalt mit Glas, das die solaren Edelgase enthält. Copyright/Quelle: ETH Zurich / Patrizia Will

Dünnschliff einer Mond-Meteoriten-​Probe, LAP 02436, Lunar Mare Basalt mit Glas, das die solaren Edelgase enthält.
Copyright/Quelle: ETH Zurich / Patrizia Will

Anhand der neuen Beobachtung zeichnet sich für die Forschenden und Busemann und Will folgendes Modell ab: „Der junge Mond war vulkanisch aktiv. Magma quoll empor, und erstarrte rasch an der Oberfläche. Durch die rasche Abkühlung bildeten sich Glaspartikel, in welchen die mitgeführten Edelgase Neon und Helium konserviert wurden. Rasch deckten weitere Lavaströme diese Magmaschicht zu und schirmten sie vor kosmischer Strahlung ab, insbesondere vor Sonnenwinden. Dies verhinderte, dass sich chemische Elemente, die im Sonnenwind enthalten sind, in den Glaspartikeln einlagern und deren chemischen Fingerabdruck, die sogenannte Isotopensignatur, verändern konnten.“

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Aber wie gelangte das magmatische Mondmaterial mit den Edelgasen auf die Erde? „Da der Mond nicht durch eine Atmosphäre geschützt ist, schlagen ständig Asteroiden auf seiner Oberfläche ein. Ein solcher Einschlag war wahrscheinlich stark genug, um Bruchstücke aus den abgeschirmten Lavaschichten des Mondes herauszuschleudern. Diese Gesteinsfragmente gelangten als Meteoriten zur Erde. Viele werden in den Wüsten Nordwestafrikas oder, wie in diesem Fall, in der Antarktis gefunden.“

Zu wissen, wo man in der NASA-​Sammlung von rund 70.000 Meteoriten suchen muss, sei bei einem solchen Projekt entscheidend. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen Wettlauf um die Untersuchung schwerer Edelgase und Isotope in diesem Meteoritenmaterial geben wird“, sagt ETH-​Professor Henner Busemann, der zu den weltweit führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der extraterrestrischen Edelgasgeochemie. Busemann rechnet damit, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bald auch in den Mondmeteoriten nach Edelgasen wie Xenon und Krypton sowie nach weiteren flüchtigen Elementen wie Wasserstoff oder Halogenen suchen werden: „Obwohl Edelgase für das Leben nicht notwendig sind, wäre es interessant zu wissen, wie sie die brutale und gewaltsame Entstehung des Mondes überlebt haben. Dieses Wissen könnte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Geochemie und Geophysik dann helfen, neue Modelle zu entwickeln, die allgemeiner zeigen, wie solche höchst flüchtigen Elemente die Entstehung von Planeten in unserem Sonnensystem und darüber hinaus überleben können.“




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Recherchequelle: ETH-Zürich

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