Washington (USA) – Während die Wissenschaftsgemeinde noch darüber streitet, ob das dritte, als solches erkannte Objekt interstellarer Herkunft nun ein Komet oder vielleicht etwas ganz anderes ist, setzt “3I/ATLAS” seinen Weg in Richtung des inneren Sonnensystems fort. Wissenschaftler arbeiten derweil an Konzepten, wie das Objekt doch noch mit bereits existierenden Sonden angefangen und genauer erforscht werden kann.
Künstlerische Darstellung der Juno-Sonde vor dem Jupiter. Copyright: NASA/JPL
Erst vor wenigen Tagen hatte der Harvard-Astronom Prof. Avi Loeb gemeinsam mit Kollegen ein Konzept vorgeschlagen, das die derzeit auslaufende Juno-Mission – statt diese in den Jupiter stürzen zu lassen – mit letzter Kraft auf einen Flyby-Kurs mit 3I/ATLAS bringen soll. Diese Idee wurde auch bereits von US-Abgeordneten aufgegriffen und in einem offiziellen Schreiben der NASA angetragen (…GreWi berichtete). Mittlerweile hat Loeb seine Berechnung nochmals präzisiert und erläutert, dass das vorgeschlagene Manöver diese Juno-Sonde bis auf mindestens 25 Millionen Kilometer an das interstellare Objekt heranführen könnte. Alles hänge davon ab, wie viel Resttreibstoff der Sonde noch zur Verfügung steht. Bestenfalls, so Loeb weiter, könnte diese Distanz noch deutlich reduziert werden. „Die Instrumente an Bord von Juno – darunter ein Nahinfrarot-Spektrometer, ein Magnetometer, ein Mikrowellenradiometer, ein Gravitationsmessinstrument, ein Detektor für energiereiche Teilchen, ein Radio- und Plasmawellensensor, ein UV-Spektrograph sowie eine Kamera/Teleskop für sichtbares Licht – könnten dazu verwendet werden, die Natur von 3I/ATLAS aus nächster Nähe zu untersuchen, und zwar weitaus besser als alle Observatorien auf der Erde“, so Loeb. Zum Vergleich: Die dichteste Erdannäherung des Objekts wird am 29. Oktober 2025 mit rund 203 Millionen Kilometer erwartet.
Andere Wissenschaftler bezweifeln hingegen, dass der Resttreibstoff der Juno-Mission für einen solchen Vorbeiflug noch ausreicht und schlagen indes vor, andere Missionen für die Erforschung des Objekts möglichst kurzfristig umzuwidmen.
So schlägt etwa das Team um Atsuhiro Yaginuma von der Michigan State University in einem vorab via ArXiv.org veröffentlichten Fachartikel vor, entweder die aufgeschobene Janus-Mission oder Sonden im Mars-Orbit für einen kurzfristigen Vorbeiflug an 3I/ATLAS zu nutzen.
Hintergrund Janus war eine geplante NASA-Mission, bei der zwei Raumsonden zu vor dem Start ausgewählten Asteroiden geschickt werden sollten (s. Abb., Copyright: NASA). Die Mission war Teil von NASAs SIMPLEx-Programm (Small Innovative Missions for Planetary Exploration) und sollte ursprünglich 2022 als Sekundärnutzlast gemeinsam mit der Psyche-Sonde an Bord einer Falcon Heavy gestartet werden. Aufgrund von Verzögerungen bei Psyche wurde Janus jedoch aus der Mission gestrichen. Das Budget war auf 55 Millionen US-Dollar begrenzt. Im Juli 2023 wurde die Mission offiziell abgesagt, und beide Raumsonden wurden in Langzeitlagerung überführt.
Während die Studie zu dem Schluss kommt, dass selbst ein kurzfristig anberaumter Start der Janus-Mission vermutlich zu spät käme, um das Objekt noch abzufangen, beschreiben die Autorinnen und Autoren das bereits in der Marsumlaufbahn operierenden Sonden wie „MRO“, „MAVEN“ oder „Mars Express“ noch rechtzeitig umgewidmet werden könnten. Allerdings müsste eine solche Entscheidung trotz vorhandener Risiken möglichst schnell getroffen werden.
Hintergrund Aktuelle Studie findet keine Anzeichen eines Kometen-Schweifs
Während eine Mehrheit der astronomischen Gemeinschaft derzeit darin übereinstimmt, dass es sich bei 3I/ATLAS um einen interstellaren Kometen handelt, der sich durch eine kometentypische Koma (Gashülle) verrät, stellt eine aktuelle und vorab via Arxiv.org veröffentlichte Studie (vom 4. August 2025) internationaler Astronomen und Astronominnen um Toni Santana-Ros von der Universidad de Alicante fest, dass „während des Beobachtungszeitraums zwar eine zunehmende Staubaktivität und eine stärkere Rötung der Farben, jedoch kein sichtbarer Schweif festgestellt wurde“.
Intensitätskarten von 3I/ATLAS, erstellt durch das Stapeln von Datensätzen vom 4. Juli 2025 (obere Reihe) und 29. Juli 2025 (untere Reihe), zeigen keinen sichtbaren Kometenschweif. Die Pfeile markieren die Richtungen zur Sonne, nach Norden, Osten sowie den negativen Geschwindigkeitsvektor des Kometen in der Bildebene. Quelle: T. Santana-Ros et al., ArXiv.org 2025
Die Autoren vermuten weiter, dass dies „aufgrund der Blickgeometrie und einer geringen Staubproduktion“ der Fall sein könnte und erläutern dazu aber zugleich: „Die geschätzten Staub-Massenverlustraten liegen zwischen 0,3 und 4,2 kg/s und entsprechen damit denen schwach aktiver, ferner Kometen. Die spektralen Farben ähneln denen von Kometen aus dem äußeren Sonnensystem und unterscheiden sich von zuvor berichteten Werten für 3I/ATLAS.“ Während die Autoren des Papers zwar feststellen, dass „die morphologischen und photometrischen Eigenschaften von 3I/ATLAS trotz seiner interstellaren Herkunft mit denen eines schwach aktiven Kometen aus dem äußeren Sonnensystem übereinstimmen“, fehlt offenbar der zuvor heftig debattierte Kometenschweif (…GreWi berichtete) bislang. Bei weiterer Annäherung an die Sonne sollte sich ein (für gewöhnlich von der Sonne wegweisender) Schweif bald entwickeln.
Ein Vorbeiflug an interstellaren Objekten in relativer Nähe kann Daten über die Zusammensetzung, die Struktur, Ausgasungen, das Flugverhalten, Form und Rotation eines Objekts liefern, wie sie von der Erde auch kaum oder gar nicht ermittelt werden können.
Während die Janus-Sonden also zu spät kommen, könnten sie jedoch schon jetzt derart aktiviert werden, um rechtzeitig auf einen Abfangkurs mit zukünftigen interstellaren Objekten geschickt zu werden. Tatsächlich ist, nicht zuletzt durch den Beginn der wissenschaftlichen Arbeit des Vera Rubin Observatoriums, mit der Entdeckung zahlreicher weiterer interstellarer Objekte in den kommenden Jahren zu rechnen.
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