Kein voriger Stern: Direkte Entstehung eines supermassereichen Schwarzen Lochs beobachtet
New Haven (USA) – In rund 8 Milliarden Lichtjahren Entfernung hat ein internationales Astronomenteam ein gerade erst entstandenes supermassereiches Schwarzes Loch entdeckt. Das Besondere an der Entdeckung: Offenbar entstand dieses Schwarze Loch ohne Vorgängerstern, sondern fiel offenbar direkt aus einer massereichen Gaswolke in sich zusammen. Die Entdeckung könnte eine der großen Fragen der modernen Kosmologie beantworten.

Copyright: NASA/ ESA/CSA, STScI, P. v.Dokkum / Yale University
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Wie das Team um den Yale-Astronom Prof. Pieter van Dokkum in der kommenden Ausgabe des Fachjournals „The Astrophysical Journal Letters“ berichtet, befindet sich das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie, die durch die (nach astronomischen Maßstäben) kürzliche Kollision zweier Galaxien entstand und aufgrund ihres Erscheinungsbildes – das an das 8-förmige Unendlichkeitssymbol erinnert – als „Infinity-Galaxy“ bezeichnet wird.
Ungewöhnliche Galaxie mit ungewöhnlichem Zentrum
Im Zentrum dieser relativ neuen kosmischen Struktur scheint sich ein gerade entstehendes supermassereiches Schwarzes Loch zu befinden. Möglicherweise handelt es sich um die erste direkte Beobachtung eines supermassereichen Schwarzen Lochs unmittelbar nach dessen Entstehung – ein Ereignis, das bislang nur theoretisch diskutiert wurde.
„Alles an dieser Galaxie ist ungewöhnlich – ihre Form, ihre Dynamik und insbesondere das zentrale Schwarze Loch, das sich nicht im Zentrum einer der beiden Galaxien befindet, sondern genau dazwischen.“
Die Entdeckung basiert auf hochauflösenden Bildern aus der COSMOS-Web-Durchmusterung, einer großangelegten Kartierung des Universums mit dem „James Webb Space Telescope“ (JWST). Unterstützend kamen auch Daten vom „W.M. Keck Observatory“, dem Chandra-Röntgenobservatorium sowie vom „Very Large Array“ (VLA) zum Einsatz.

Copyright: NASA/ ESA/CSA, STScI, P. v.Dokkum/ Yale University
Eine zentrale Überraschung
Das Schwarze Loch scheint sich nicht in einem der beiden Galaxienkerne zu befinden – wie es normalerweise der Fall wäre – sondern mitten in der Gaswolke, die beide Galaxien umgibt. Die Forscher halten es für möglich, dass es sich um ein gerade entstandenes Schwarzes Loch handelt.
„Wenn sich das bestätigt, wäre das ein wissenschaftlicher Durchbruch: die erste direkte Beobachtung der Geburt eines supermassereichen Schwarzen Lochs“, so van Dokkum.
Die Entdeckung könnte neue Antworten auf eine der zentralen Fragen der modernen Kosmologie liefern: Wie konnten im jungen Universum so schnell derart gigantische Schwarze Löcher entstehen?
Hintergrund: Zwei Theorien um Schwarze Köcher
Die klassische Theorie zu Entstehung Schwarzer Löcher geht davon aus, dass diese ursprünglich aus kollabierenden Sternen entstanden und dann durch Verschmelzungen über Milliarden Jahre zu den beobachteten Giganten heranwuchsen. Das Problem: Das Universum war offenbar nicht alt genug, um auf diesem Weg so schnell so große Schwarze Löcher hervorzubringen. Die alternative Theorie wie sie etwa von der Yale-Astrophysikerin Prof. Priyamvada Natarajan vertreten wird, schlägt vor, dass sich Schwarze Löcher direkt aus dem Kollaps massereicher Gaswolken bilden können – ohne den Umweg über Vorgänger-Sterne. Doch auch diese Theorie hat ihre Schwächen, da Gaswolken in der Regel erst Sterne bilden.
Im Fall der „Infinity-Galaxie“ jedoch könnten die extremen Bedingungen, ausgelöst durch die Galaxienkollision, die nötige Gasverdichtung erzeugt haben, um einen direkten Kollaps zu ermöglichen.
„Bei der Kollision prallten die Gasscheiben der beiden Galaxien aufeinander, was zu einer massiven Stoßkompression führte“, erklärt van Dokkum. „Wir vermuten, dass diese Verdichtung ausreichte, um ein dichtes Gas-Knäuel zu bilden, das dann direkt zu einem Schwarzen Loch kollabierte.“
Solche Szenarien, so die Forscher, könnten im frühen Universum weit verbreitet gewesen sein, als Galaxien noch deutlich gasreicher und dynamischer waren als heute.
Bereits im Jahr 2023 hatte das Team um Natarajan mit der Galaxie „UHZ1“ Hinweise auf ein solches direkt kollabiertes Schwarzes Loch aus der Frühzeit des Kosmos geliefert – damals nur 470 Millionen Jahre nach dem Urknall. Die nun entdeckte Infinity-Galaxie zeigt laut Natarajan, dass dieser Prozess möglicherweise nicht nur in der Frühzeit des Universums stattfand, sondern über kosmische Zeiträume hinweg möglich gewesen sein könnte.
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„Diese Entdeckung zeigt, dass die Natur offenbar über mehrere Wege verfügt, supermassereiche Schwarze Löcher zu erschaffen“, so Natarajan. „Und dass direkte Kollapsprozesse eine wichtige Rolle gespielt haben könnten – nicht nur in den ersten hunderten Millionen von Jahren, sondern vielleicht bis heute.“
Das Team betont abschließend allerdings auch, dass noch weitere Beobachtungen notwendig seien, um die Ergebnisse abzusichern und das Zusammenspiel der beteiligten Prozesse vollständig zu verstehen. Fest steht: Die „Infinity-Galaxie“ eröffnet ein neues Fenster auf einen bislang verborgenen Abschnitt der kosmischen Evolutionsgeschichte – die Geburt der gewaltigsten Objekte im Universum.
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Recherchequelle: Yale University

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