Cambridge (USA) – Laut einer Theorie zur Natur der Dunklen Materie geht davon aus, dass ein Großteil dieser aus mikroskopisch kleinen, urzeitlichen Schwarzen Löchern besteht. Sollte dies der Fall sein, wären diese auch im Sonnensystem zu erwarten. Minimale Schwankungen im Abstand zwischen Erde und Mars könnten auf dieses Szenario hinweisen.
Wie das Team um Professor David Kaiser vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) aktuell im Fachjournal „Physical Review D“ (DOI: 10.1103/PhysRevD.110.063533) und vorab via ArXiv.org berichtet, gehen sie davon aus, dass wenn der Großteil der Dunklen Materie im Universum aus mikroskopischen urzeitlichen Schwarzen Löchern besteht – eine Idee, die in den 1970er Jahren aufkam – diese Schwarzen Löcher auch mindestens einmal pro Jahrzehnt unser Sonnensystem durchqueren sollten. „Eine solche Passage könnte eine minimale Erschütterung in der Umlaufbahn des Mars verursachen, wie sie schon mit heutigen Präzisionsinstrumenten messbar wäre.“ Sollte dies nachgewiesen werden, könnte es die Theorie stützen, dass urzeitliche, sogenannte primordiale Schwarze Löcher eine wesentliche Quelle Dunkler Materie im Universum sind.
Tatsächlich ist die Entfernung zwischen Erde und Mars aufgrund jahrzehntelanger präziser Telemetrie mit einer Genauigkeit von etwa 10 Zentimetern bekannt. „Wir nutzen diese hochpräzisen Daten, um nach winzigen Effekten darin zu suchen“, erklärt Prof. Kaiser. „Wenn wir eine Erschütterung in der Umlaufbahn von Mars entdecken, wäre dies ein starkes Indiz dafür, dass Dunkle Materie aus Schwarzen Löchern besteht, die kurz nach dem Urknall entstanden sind und seither durch das Universum wandern.“
Hintergrund
Dunkle Materie ist eine, bislang erst theoretisch beschriebene, unsichtbare Form von Materie, die keinen Einfluss auf Licht oder andere Strahlung hat, also nicht direkt beobachtet werden kann. Offenbar scheint diese Materie jedoch zu existieren, da sie eine enorme Gravitationskraft ausübt, die zum Beispiel die Bewegung von Galaxien zu beeinflussen scheint. Ohne Dunkle Materie würden sich Sterne und Galaxien anders bewegen, als astronomische Beobachtungen dies zeigen. Obwohl unsichtbar, macht Dunkle Materie etwa 85 Prozent der gesamten Materie im Universum aus. Ihre genaue Natur bleibt jedoch ein Rätsel.Die Idee, dass Dunkle Materie aus primordialen Schwarzen Löchern bestehen könnte, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Diese Schwarzen Löcher, die in den ersten Augenblicken nach dem Urknall aus dichten Gaswolken entstanden wären, wären winzig, aber extrem massereich. Die Hypothese besagt, dass diese kompakten Objekte durch ihre Gravitationskraft zumindest einen Teil der sogenannten Dunklen Materie erklären könnten.
Um die Auswirkungen eines Vorbei- oder Durchfluges eines solchen Schwarzen Lochs durch das Sonnensystem zu testen, erstellte das MIT-Team eine Simulation des Sonnensystems, der Planetenbahnen und deren gravitativer Wechselwirkungen. Auf diese Weise berechneten die Forschenden die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein primordiales Schwarzes Loch mit der Masse eines großen Asteroiden nahe an Mars vorbeifliegt.
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Die Ergebnisse zeigten, dass ein solcher Vorbeiflug die Umlaufbahn von Mars um etwa einen Meter verändern könnte – eine vergleichsweise winzige Abweichung, die durch die heutigen Instrumente erfasst werden könnte.
Die Forscher betonen jedoch, dass es weiterhin noch viele Unsicherheiten gibt. Während eine Erschütterung in der Umlaufbahn von Mars ein Hinweis auf ein vorbeifliegendes Schwarzes Loch sein könnte, müssten zunächst andere mögliche Ursachen wie gewöhnliche Asteroiden ausgeschlossen werden. Glücklicherweise haben Astronomen jahrzehntelange Daten über die Bewegungen von Asteroiden gesammelt, die hier als Vergleich dienen könnten.
„Es ist eine faszinierende Hypothese“, so Kaiser abschließend. „Aber um sie zu bestätigen, braucht es noch viel Arbeit. Dennoch könnte der Nachweis eines solchen Effekts revolutionäre Hinweise auf die Natur der Dunklen Materie liefern.“
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Recherchequelle: MIT
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