Simulation zeigt: Fremder Stern störte äußeres Sonnensystem und erzeugte Jupiter- und Saturnmonde

Standbild aus der Simulation des Vorbeifluges eines anderen Sterns am Sonnensystem (Illu.). Copyright: Forschungszentrum Jülich
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Standbild aus der Simulation des Vorbeifluges eines anderen Sterns am Sonnensystem (Illu.).Copyright: Forschungszentrum Jülich

Standbild aus der Simulation des Vorbeifluges eines anderen Sterns am Sonnensystem (Illu.).
Copyright: Forschungszentrum Jülich

Jülich (Deutschland) – Neue Simulationen des dichten Vorbeiflugs eines fremden Sterns vor Milliarden von Jahren zeigen, dass diese Passage Tausende kleinere Himmelskörper jenseits der Neptunbahn auf stark geneigte Bahnen um die Sonne abgelenkte und so auch einige zu Monden der Gasriesen Jupiter und Saturn machte. Auf diese Weise lösen die Berechnungen lange währendes kosmisches Rätsel.

Wie das Team aus Astrophysikern und Astrophysikerinnen vom Forschungszentrum Jülich und der Universität Leiden aktuell in zwei Studien in den Fachjournalen „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-024-02349-x) und „Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/ad63a6) berichtet, erklären die Simulationen einige Rätsel unseres heutigen Sonnensystems mit nur einer einzigen Ursache. Gerade in dieser Einfachheit liege zugleich auch Schönheit dieses Modells, so die Forschenden.

Rätsel im Sonnensystem

„Wenn wir an unser Sonnensystem denken, nehmen wir gewöhnlich an, dass es beim äußersten bekannten Planeten Neptun, endet“, erläutert Susanne Pfalzner vom Forschungszentrum Jülich. „Es sind jedoch mehrere bekannt, die sich jenseits der Neptunbahn bewegen und einige zehntausend Objekte werden vermutet, deren Durchmesser 100 Kilometer überschreitet. Überraschenderweise bewegen sich viele dieser sogenannten Transneptunischen Objekte (im Video: TNO/ETNO = extreme trans-Neptunian object) auf exzentrischen Bahnen, die gegenüber der gemeinsamen Bahnebene der Planeten des Sonnensystems geneigt sind.“

Gemeinsam mit ihrem Jülicher Kollegen Amith Govind und Simon Portegies Zwart von der Universität Leiden hat Pfalzner anhand von mehr als 3000 Computersimulationen eine mögliche Ursache der ungewöhnlichen Umlaufbahnen untersucht: Könnte ein anderer Stern die seltsamen Bahnen Transneptunischer Objekte verursacht haben?

Simulationen liefern einfaches Modell

Die Simulationen bestätigen eine frühere Hypothese, wonach ein naher Vorbeiflug eines anderen Sterns an unserem Sonnensystem die geneigten und exzentrischen Umlaufbahnen der bekannten Transneptunischen Objekte erklären kann. „Sogar die Bahnen von sehr entfernten Objekten können dadurch hergeleitet werden, wie etwa die des im Jahr 2003 entdeckten Zwergplaneten Sedna (im Video: Sedna like) im äußersten Bereich des Sonnensystems. Und auch Objekte, die sich auf Umlaufbahnen nahezu senkrecht zu den Planetenbahnen bewegen“, erläutert Susanne Pfalzner. Die errechnete Sternenpassage könne selbst die Bahnen der Objekte „2008 KV42“ und „2011 KT19“ erklären, die sich in entgegengesetzter Richtung zu den Planeten (im Video: Retrogrades) bewegen.

Laut den Simulationen ist die beste Übereinstimmung für das heutige äußere Sonnensystem, ein Stern, der etwas leichter als unsere Sonne war – „etwa 0,8 Sonnenmassen“, konkretisiert Govind. „Dieser Stern ist in einer Entfernung von etwa 16,5 Milliarden Kilometern an unserer Sonne verbeigeflogen. Das ist etwa 110-mal der Abstand zwischen Erde und Sonne, etwas weniger als das Vierfache der Entfernung des äußersten Planeten Neptun.“

Hintergrund
Passagen fremder Sterne sind weniger selten als vielleicht vermutet. Der letzter derartige Vorbeiflug ereignete sich vor rund 70.000 Jahren, zu einer Zeit also, in der sich die frühen modernen Menschen ihren Lebensraum noch mit Neandertalern teilten. Damals näherte sich ein als „Scholz‘ Stern“ bezeichneter Rote Zwergstern unserem Sonnensystem derart nahe, dass auch er die Bahnen einiger Kometen und Asteroiden beeinflusste – bis heute.
Während der Scholz‘ Stern heute rund 20 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt ist, entdeckten Astronomen um Eric Mamajek von der University of Rochester 2015, dass der Stern vor gerade einmal 70.000 Jahren mit Teilen der Oortschen Wolke die äußeren Regionen unseres Sonnensystems sogar durchquert hatte. Die Distanz zwischen dem kosmischen Besucher und unserer Sonne betrug damals also weniger als ein Lichtjahr (…GreWi berichtete). Der unserer Sonne heute nächstgelegene Stern, bzw. das System Proxima Centauri, ist hingegen schon 4,2 Lichtjahre von uns entfernt.
Obwohl selbst sehr lichtschwach, könnte das starke Magnetfel des Sterns dazu geführt haben, dass seine Helligkeit ab und zu mehrere Minuten bis Stunden lang um das Zehntausendfache zunahm und der Stern dann als heller roter Lichtpunkt am Nachthimmel sichtbar wurde (…GreWi berichtete).

Einige TNOs wurden zu Monden der Riesenplaneten

Zugleich zeigen die neuen Simulationen, dass auf diese Weise ein Teil der transneptunischen Himmelskörper in Richtung des inneren Sonnensystems (im Video: inner solar system) katapultiert und hier zu einigen Monden der Riesenplaneten wurden.

„Einige dieser Objekte könnten von den Riesenplaneten als Monde eingefangen worden sein“, sagt Simon Portegies Zwart von der Universität Leiden. „Das würde erklären, warum die äußeren Planeten unseres Sonnensystems zwei verschiedene Arten von Monden haben.“

Tatsächlich gab es bislang keine Erklärung dafür, dass im Gegensatz zu den regulären Monden, die in der Nähe des Planeten auf kreisförmigen Bahnen umrunden, irreguläre Monde diese Planeten in größerer Entfernung auf geneigten, länglichen Bahnen umkreisen. Auf diese Weise erklärt das Modell der Forschenden sehr einfach gleich mehrere Rätsel unseres Sonnensystems.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Rote Nachtsonne: Scholz‘ Stern kam unserer Sonne so nah, dass er Kometen und Asteroiden bis heute beeinflusst 22. März 2018

Recherchequelle: Forschungszentrum Jülich

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