Ältestes RNA-Material der Welt aus Wollhaarmammut gewonnen
Stockholm (Schweden) – Einem Forschungsteam der Stockholmer Universität ist erstmals gelungen, RNA-Moleküle aus Gewebe eines Wollhaarmammuts zu isolieren und vollständig zu sequenzieren. Die Proben stammen vom bekannten Mammut „Yuka“, dessen Überreste fast 40.000 Jahre lang im sibirischen Permafrost gefroren waren.

Copyright/Quelle: Valeri Plotnikov / Stockholm Universitet
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Wie das Team um Love Dalén und Emilio Mármol, der zur Zeit der Untersuchung an der Stockholmer Universitet forschte, aktuell im Fachjournal „Cell“ (DOI. 10.1016/j.cell.2025.10.025) berichtetet, wurde noch nie derart altes RNA-Material aus einem ausgestorbenen Tier gewonnen.
Während in den vergangenen Jahrzehnten die Analyse uralter DNA enorme Fortschritte gemacht hat – bis hin zu mehr als eine Million Jahre alten Genomfragmenten – galt RNA lange Zeit für viel zu instabil, um überhaupt die ersten Stunden nach dem Tod eines Organismus zu überstehen. Die neue Studie widerlegt diese Annahme nun eindeutig und zeigt, dass RNA unter geeigneten Bedingungen ähnlich gut erhalten bleiben kann wie DNA und Proteine. Das Forschungsergebnis ermöglicht damit einen bislang unerreichbaren Einblick in die aktive Biologie lang ausgestorbener Arten.
RNA zeigt, welche Gene im Moment des Todes aktiv waren
„Mit RNA sehen wir nicht nur, welche Gene existieren, sondern welche Gene im letzten Moment des Lebens tatsächlich aktiv waren“, erklärt Mármol der mittlerweile am Globe Institute in Kopenhagen arbeitet. Diese Information sei aus DNA-Befunden allein nicht rekonstruierbar.
Das Team analysierte außergewöhnlich gut erhaltene Muskelgewebe von Yuka. Von den mehr als 20.000 bekannten Protein-kodierenden Genen eines Mammuts waren nur bestimmte aktiv – vor allem jene, die mit Muskelkontraktion, Zellstress und Stoffwechselregulation in Verbindung stehen. Die Forschenden fanden dabei Hinweise darauf, dass Yuka kurz vor dem Tod vermutlich unter erheblichem Stress stand. Frühere Studien hatten bereits nahegelegt, dass das Jungtier von Höhlenlöwen angegriffen worden war.
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Spektakulärer Fund: Erhaltene Mikro-RNAs aus der Eiszeit
Besonders bemerkenswert war die Entdeckung zahlreicher nicht-protein-kodierender RNAs, insbesondere sogenannter Mikro-RNAs. Diese Moleküle steuern die Genaktivität fein abgestuft – vergleichbar mit biologischen Schaltern und Reglern.
„Dass wir mikroRNAs aus einem Mammutmuskel isolieren konnten, ist eine Sensation“, erläutert Mitautor Marc Friedländer von der Wenner-Gren-Stiftung. „Diese Moleküle waren aktiver Bestandteil der Genregulation zu Lebzeiten des Tieres. So etwas wurde noch nie zuvor in einem so alten Organismus dokumentiert.“
Andere gefundene RNA-Fragmente zeigten zudem seltene Mutationen, die eindeutig bestätigten, dass die Moleküle tatsächlich vom Mammut stammen und nicht aus Umweltkontaminationen. Einige bislang unbekannte Gene ließen sich sogar allein durch das RNA-Material identifizieren – ebenfalls ein Novum.
Konsequenzen für Evolutionsforschung und Virologie
Die Erkenntnis, dass RNA über Zehntausende von Jahren überdauern kann, eröffnet völlig neue Perspektiven. Studienleiter Love Dalén betont: „Wir werden nun nicht nur rekonstruieren können, welche Gene in ausgestorbenen Arten aktiv waren. Theoretisch können wir sogar RNA-Viren wie alte Influenza- oder Coronavirus-Stämme aus Permafrost-Funden sequenzieren.“ Für die Evolutionsforschung, Paläovirologie und Ökosystemrekonstruktion der Eiszeit wäre das ein enormer Fortschritt.
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Als nöchste Schritte plant das Team bereits Anschlussstudien, die RNA-Daten mit alter DNA, Proteinen, Lipiden und anderen biomolekularen Spuren kombinieren sollen. Dadurch könnten erstmals vollständige biologische Profile ausgestorbener Megafauna entstehen, die weit über Genomsequenzen hinausgehen.
Ein Blick zurück in die Biologie der Mammuts – und darüber hinaus
Die Studie markiert einen wichtigen Wendepunkt: Dass RNA – und damit einer der empfindlichsten und zentralsten Bestandteile des Lebens – in eisigen Böden über Jahrtausende stabil bleiben kann, bedeutet, dass unzählige weitere Funde ähnliche Analysen ermöglichen.
„Wir öffnen damit buchstäblich ein neues Fenster in die Vergangenheit“, fasst Mármol zusammen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Biologie der Eiszeit nicht verloren ist – sie wartet darauf, aus dem Permafrost wieder ans Licht geholt zu werden.“
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Recherchequelle: Stockholm Universitet
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