Auch kosmischer Staub könnte Leben auf der Erde ausgelöst haben
Didcot (Großbritannien) – Eine aktuelle Studie zeigt: Aminosäuren, die Bausteine des Lebens, könnten ihren Ursprung nicht erst auf der jungen Erde selbst gehabt haben, sondern bereits zuvor auf interstellaren Staubkörnern entstanden und so auf unseren Planeten gelangt sein.

Copyright/Quelle: Chuck Ayoub (via WikimediaCommons) CC0
Wie das Team um Stephen Thompson und Sarah Day von britischen „Diamond Light Source“-Synchrotronanlage aktuell im Fachjournal “Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” (MNRAS, DOI: 10.1093/mnras/staf1457) und vorab via ArXiv.org berichten, haben sie untersucht, ob und wie einfache Aminosäuren wie Glycin und Alanin die extremen Bedingungen des Weltraums überstehen und als Teil kosmischer Staubpartikel zur Erde gelangt sein könnten. Diese Moleküle bilden die Grundlage für Proteine und Enzyme – und damit für sämtliche biochemischen Prozesse, die Leben ermöglichen.
Für ihre Experimente stellten die Forschenden winzige Partikel aus amorphem Magnesiumsilikat her – einem Hauptbestandteil kosmischen Staubs – und lagerten verschiedene Aminosäuren darauf ab: Glycin, Alanin, Glutaminsäure und Asparaginsäure. Anschließend wurde das Material mit Infrarotspektroskopie und Synchrotron-Röntgenbeugung analysiert, während es kontrolliert erhitzt wurde. Damit simulierten die Wissenschaftler die Erwärmung, die Staubkörner erfahren, wenn sie im frühen Sonnensystem von kalten, äußeren Regionen in wärmere Zonen wandern.
Das Ergebnis: Nur Glycin und Alanin hafteten stabil an den Silikatpartikeln. Beide bildeten dabei kristalline Strukturen, und Alanin zeigte eine überraschend hohe Hitzebeständigkeit und blieb auch oberhalb seines eigentlichen Schmelzpunkts stabil. Zudem reagierten die beiden Spiegelbildformen (L- und D-Alanin) unterschiedlich auf Hitze, wobei L-Alanin deutlich reaktiver war. Glycin wiederum löste sich bei niedrigeren Temperaturen vom Staubkorn, zerfiel dabei aber nicht.
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In einem zweiten Versuchsansatz entfernte das Team durch Erhitzen die Wasserstoffatome von der Silikatoberfläche. Dadurch entstanden zwei leicht unterschiedliche Staubtypen mit abweichenden chemischen Eigenschaften, was wiederum den Temperaturbereich beeinflusste, in dem die Aminosäuren an den Partikeln hafteten oder sich lösten.
Diese scheinbar kleinen Unterschiede könnten laut den Forscherinnen und Forschern entscheidend gewesen sein für die Auswahl jener organischen Moleküle, die letztlich auf der Erde ankamen. Das Team spricht in diesem Zusammenhang von einem möglichen „astromineralogischen Selektionsmechanismus“: Nur bestimmte Aminosäuren können an bestimmte Stauboberflächen binden und so einen natürlichen Filterprozess bilden, der darüber entschieden haben könnte, welche Moleküle den Sprung von den interstellaren Eismänteln in die entstehende innere Sonnensphäre schafften.
Aminosäuren entstehen nach heutiger Auffassung innerhalb der Eisschichten, die kosmische Staubkörner in interstellaren Wolken umgeben. Wenn diese Körner in Regionen gelangen, in denen das Eis verdampft, etwa jenseits der sogenannten „Schneelinie“ des jungen Sonnensystems, werden die organischen Moleküle freigesetzt. Ein Teil davon könnte anschließend an den freigelegten Silikatkern anhaften und so stabil genug gewesen sein, um letztlich mit Meteoriten und Mikrometeoriten auf der frühen Erde zu landen.
Dieser Prozess fällt zeitlich in eine kritische Phase der Erdgeschichte: zwischen etwa 4,4 und 3,4 Milliarden Jahren vor heute. Also nach der Bildung der Erdkruste und Ozeane, aber vor dem Auftreten der ältesten bekannten Mikroorganismen. Analysen von antarktischen Mikrometeoriten und Proben der Kometen „Wild 2“ und „67P/Churyumov–Gerasimenko“ zeigen, dass diese winzigen Partikel reich an organischem Material, darunter auch Aminosäuren, sind.
Da der Eintrag solcher kosmischen Staubpartikel auf der frühen Erde vermutlich enorm war, könnte er sogar die Hauptquelle organischen Kohlenstoffs dargestellt haben. Möglicherweise deutlich bedeutender als der Beitrag durch größere Einschläge von Asteroiden oder Kometen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass interstellarer Staub nicht nur als Transportmittel für organische Moleküle diente“, so die Forscher, „sondern aktiv darüber mitentschied, welche Verbindungen die Reise überstanden und schließlich auf erdähnliche Planeten gelangten.“
Die Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Ursprünge des Lebens und betont die Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung: Nur durch die Kombination von Astronomie, Chemie, Geowissenschaften und modernster Synchrotronanalytik lassen sich die komplexen chemischen Prozesse nachvollziehen, die vor Milliarden Jahren möglicherweise den ersten Schritt in Richtung irdischen Lebens ermöglichten.
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Recherchequellen: Diamond Light Source, MNRAS
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