Ausgrabungen zeigen: Neandertaler waren genauso intelligent wie Homo sapiens

Symbolbild: Rekonstruktion eines Neandertalers. Copyright: Neanderthal-Museum, Mettmann (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0
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Symbolbild: Rekonstruktion eines Neandertalers.Copyright: Neanderthal-Museum, Mettmann (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0

Symbolbild: Rekonstruktion eines Neandertalers.
Copyright: Neanderthal-Museum, Mettmann (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0

Trient (Italien) – Eine aktuelle Analyse des Speiseplans des Neandertalers zeigt, dass unsere ausgestorbenen Cousins genau so intelligent waren, wie jene modernen Menschen, mit denen sie sich einen gemeinsamen Lebensraum teilten.

Wie die Archäologen João Zilhão von der Universidade de Lisboa, Diego Angelucci Università degli Studi di Trento und die Archäologin Mariana Nabais vom Katalanischen Institut für Humanpaläoökologie und soziale Evolution (IPHES) aktuell im Fachjournal „PLoS ONE“ (DOI: 10.1371/journal.pone.0292075) berichtet, waren Neandertaler zu symbolischem Denken in der Lage, konnten künstlerische Objekte schaffen, wussten, wie man ihren Körper mit persönlichem Schmuck dekorierte und hatten eine äußerst vielfältige Ernährung. „Hinzu kommt, dass wir aufgrund unserer Ergebnisse mit Sicherheit sagen können, dass sie gewohnheitsmäßig gekochte Nahrung zu sich nahmen. Diese Fähigkeit bestätigt, dass sie genauso geschickt waren wie die Homo sapiens.“

In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass Neandertaler Feuer machen konnten und dass Feuer ein zentraler Bestandteil ihres täglichen Lebens war. Darin verglichen die Forschenden die Überreste von gezielten Feuern an der Gruta de Oliveira in Portugal und damit an einer der wichtigsten europäischen archäologischen Fundorte für das Mittelpaläolithikum.

Hintergrund
Was diese Höhle so außergewöhnlich macht, ist, dass die Ausgrabungen zwischen 1989 und 2012 systematisch und äußerst präzise durchgeführt und dokumentiert wurden. Die Gruta de Oliveira ist Teil des Almonda-Karstsystems, einem weitverzweigten Höhlennetzwerk in verschiedenen Höhen über einer großen Quelle, das in verschiedenen Perioden während der Vorgeschichte bewohnt war. Die ältesten Schichten der Gruta de Oliveira, die mehrere Gänge umfassen, datieren auf etwa 120.000 Jahre, die jüngsten auf etwa 40.000 Jahre: Es wird angenommen, dass Neandertaler diesen Ort vor etwa 100.000 bis 70.000 Jahren bewohnt haben.

Ausgrabungen in der Gruta de Oliveira.Copyright: João Zilhão

Ausgrabungen in der Gruta de Oliveira.
Copyright: João Zilhão

In der Gruta fanden die Archäologen rund ein Dutzend Feuerstellen auf verschiedenen stratigraphischen Ebenen in einem Ausgrabungsbereich von etwa 30 Quadratmetern und sechs Metern Tiefe. Die unverkennbaren, schalenartigen, kreisförmigen Strukturen waren mit Überresten gefüllt.

Die Funde rund um diese Feuerstellen zeigen, dass die Bewohner der Höhlen hier ihr Essen kochten. „Wir fanden verbrannte Knochen, verbranntes Holz und Aschereste. Und der Fels darunter – so Angelucci weiter – ist von der Hitze gerötet worden: Dies ist ein entscheidendes Detail, denn es zeigt uns, dass die Struktur sich in einer primären Position befindet. Feuer ist ein fundamentales Element in ihrem täglichen Leben. Es macht den Ort gemütlich und hilft der sozialen Interaktion. Es vermittelte vermutlich schon damals eine grundlegende Vorstellung von ‚Zuhause‘, vermutlich auch für die Neandertaler.“

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Die Analyse der Funde offenbart die Ernährungsgewohnheiten der Neandertaler: „Wir fanden die Überreste und verbrannten Knochen von gekochten Ziegen, Hirschen, Pferden, Auerochsen (ausgestorbene Bullen), Nashörnern und Schildkröten, die wahrscheinlich auf ihren Panzern platziert und auf heißen Steinen geschmort wurden. (…) Fleisch stand auf der Speisekarte in dieser Binnenhöhle, aber in anderen Ausgrabungen in Höhlen mit Blick auf das westliche Mittelmeer in der Nähe von Cartagena (Spanien) wurden Überreste von Fischen, Muscheln und Weichtieren, sogar gerösteten Pinienkernen gefunden.“

Damit stützen die neuen Untersuchungen die Ergebnisse einer bereits 2020 im Fachjournal „Science“ veröffentlichten Arbeit der Forschenden, die zeigt, dass Neandertaler eine vielfältige Ernährung hatten. Die nun vorgestellte Studie anhand der Funde in Portugal zeigt nun aber zusätzlich, dass sie Feuer verwendet haben, um dieses Essen zuzubereiten.

Trotz aller Funde bleibt allerdings weiterhin unklar, wie die Neandertaler ihr Feuer entfachten: „Vielleicht haben sie es so gemacht wie in der neolithischen Zeit, indem sie Feuersteine gegeneinanderschlugen, um Funken auf einen Zunder zu werfen, wie zum Beispiel ein trockenes Nest. Dies ist eine prähistorische Technik, die bei der Untersuchung des Ötzis entdeckt wurde. Bisher haben wir jedoch keine Beweise dafür gefunden.“

Die Ausgrabung einer Reihe von Schichten, die 30.000 Jahre abdecken, gab den Archäologen jedoch die Gelegenheit, die Daten mit anderen Stätten in derselben Gegend zu vergleichen, die bis in das Jungpaläolithikum zurückreichen und eine jüngere Zeit umfassen, in der dann auch der Homo sapiens in der Gegend nachgewiesen wurde. „Wir haben keinen Unterschied festgestellt: Sie lebten in den Höhlen auf ähnliche Weisen. Ihre Fähigkeiten sind auch ein Zeichen von Intelligenz.“




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Recherchequelle: Università degli Studi di Trento

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