Heißer Start: Weitere Hinweise auf einen verborgenen Ozean auf Pluto

Dehnungsfalten auf der Oberfläche von Pluto (siehe Pfeile) weisen auf eine Ausdehnung der eisigen Kruste des Zwergplaneten hin, die auf das Einfrieren eines unterirdischen Ozeans zurückzuführen sind. Copyright: NASA / Labor für Angewandte Physik der Johns Hopkins University / Southwest Research Institute / Alex Parker
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Dehnungsfalten auf der Oberfläche von Pluto (siehe Pfeile) weisen auf eine Ausdehnung der eisigen Kruste des Zwergplaneten hin, die auf das Einfrieren eines unterirdischen Ozeans zurückzuführen sind. Copyright: NASA / Labor für Angewandte Physik der Johns Hopkins University / Southwest Research Institute / Alex Parker

Dehnungsfalten auf der Oberfläche von Pluto (siehe Pfeile) weisen auf eine Ausdehnung der eisigen Kruste des Zwergplaneten hin, die auf das Einfrieren eines unterirdischen Ozeans zurückzuführen sind.
Copyright: NASA / Labor für Angewandte Physik der Johns Hopkins University / Southwest Research Institute / Alex Parker

Santa Cruz (USA) – Obwohl Pluto – der mittlerweile zum Zwergplaneten degradierte, ehemals neunte Planet – die Sonne in den frostigen Außenbereichen des Sonnensystems umkreist, verbirgt sich unter seiner frostigen Oberfläche aller Wahrscheinlichkeit nach ein Ozean flüssigen Wassers. In einer neuen Studie präsentieren Wissenschaftler eine Erklärung, wie sich dieser Ozean so weit von der Sonne entfernt bilden und bis heute erhalten konnte.

Wie das Team um Carver Bierson von der University of Santa Cruz aktuell im Fachjournal „Nature Geoscience“ (DOI: 10.1038/s41561-020-0595-0) berichtet, sei durch die Anreicherung von neuem Material während der Entstehung des Pluto möglicherweise genug Wärme erzeugt worden, dass ein flüssiger Ozean entstehen konnte, der bis heute trotz der gewaltigen Distanz zur Sonne, unter einer eisigen Kruste bestehen kann.

Das von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen beschriebene Szenario eines derartigen „Heißstarts“ steht im Gegensatz zu der traditionellen Ansicht, dass Plutos Ursprünge eine Kugel aus gefrorenem Eis und Gestein waren, innerhalb derer der radioaktive Zerfall genug Wärme erzeugt haben könnte, um das Eis zu schmelzen und so einen unterirdischen Ozean entstehen zu lassen.

„Forscher haben lange über die thermische Entwicklung von Pluto und die Überlebensfähigkeit eines bis heute erhaltene flüssigen Ozeans nachgedacht“, erläutert Co-Autor Francis Nimmo, Professor für Erd- und Planetenwissenschaften an der UC Santa Cruz. „Jetzt, da wir Bilder von Plutos Oberfläche von der ‚New Horizons‘-Mission der NASA haben, können wir das, was wir sehen, mit den Vorhersagen verschiedener thermischer Evolutionsmodelle vergleichen.“

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„Da sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt und beim Schmelzen zusammenzieht, haben die Heißstart- und Kaltstartszenarien unterschiedliche Auswirkungen auf die Tektonik und die daraus resultierenden Oberflächenmerkmale des Pluto“, erklärt der Erstautor des Artikels und UCSC-Doktorand Bierson.

„Wenn Pluto kalt angefangen hätte und das Eis innerlich geschmolzen wäre, hätte er sich zusammengezogen. In diesem Fall sollten wir Kompressionsmerkmale auf der Pluto-Oberfläche sehen, während sich der Planet, wenn er heiß entstanden wäre, ausdehnen sollte, weil der Ozean nach wieder gefroren wäre. In diesem Fall sollten wir Ausdehnungsmerkmale auf der Oberfläche sehen“, erläutert Bierson weiter. „Tatsächlich sehen wir viele Anzeichen einer solchen Expansion (s. Abb.), aber wir sehen keine Anzeichen einer Kompression. Von daher stimmen die Beobachtungen besser mit Pluto überein, der bereits mit einem flüssigen Ozean begann.“

Tatsächlich ist die thermische und tektonische Entwicklung eines „Kaltstart-Pluto“ bereits kompliziert, da der unterirdische Ozean nach einer anfänglichen Phase des allmählichen Schmelzens wieder beginnen würde zu gefrieren. Eine Kompression der Oberfläche würde also früh auftreten, gefolgt von einer neueren Erweiterung. Mit einem heißen Start würde eine Ausdehnung in der gesamten Geschichte von Pluto erfolgen, so die Forscher.

„Die ältesten Oberflächenmerkmale auf Pluto sind schwerer zu identifizieren, aber es sieht so aus, als ob es sowohl eine alte als auch jüngere Ausdehnungsmerkmale an der Oberfläche gab und gibt“, erklärt Nimmo.
Die nächste Frage, die sich den Forschern stellte, war jene, ob genug Energie zur Verfügung stand, um Pluto einen solchen „Heißstart“ zu ermöglichen. Die beiden Hauptenergiequellen wären Wärme, die durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Gestein freigesetzt wird, und Gravitationsenergie, die freigesetzt wird, wenn neues Material die Oberfläche des wachsenden Protoplaneten bombardiert.

Biersons Berechnungen zeigten nun, dass, wenn die gesamte Gravitationsenergie als Wärme zurückgehalten würde, zwangsläufig ein anfänglicher flüssiger Ozean entstehen würde. In der Praxis würde jedoch ein Großteil dieser Energie von der Oberfläche wegstrahlen, insbesondere wenn die Anreicherung von neuem Material langsam erfolgt wäre.

„Wie sich Pluto zusammensetzte, ist für seine thermische Entwicklung von großer Bedeutung“, erläutert Nimmo. „Wenn er zu langsam entstand, hätte das heiße Material an der Oberfläche Energie in den Weltraum abgestrahlt. Wenn er aber schnell genug entstand, wäre die Wärme im Inneren eingeschlossen worden.“

Die Forscher haben errechnet, dass Pluto, wenn er sich über einen Zeitraum von weniger als 30.000 Jahren gebildet hätte, heiß begonnen hätte. Wenn stattdessen eine Akkretion (Ansammlung und Zusammenballung von Material über einige Millionen Jahre stattgefunden hätte, wäre ein heißer Start nur möglich, wenn große Impaktoren ihre Energie tief unter der Oberfläche vergraben hätten.

Die neuen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass auch andere große Objekte des Kuipergürtels wahrscheinlich ebenfalls heiß angefangen haben und somit auch frühe Ozeane haben könnten. Diese Ozeane könnten sich auch in den weiteren größten hiesigen Objekten wie den Zwergplaneten Eris und Makemake bis heute erhalten haben.

„Selbst in dieser kalten Umgebung, die so weit von der Sonne entfernt ist, könnten sich also Welten schnell und heiß und damit auch mit flüssigen Ozeanen gebildet haben, die bis heute unter der eisigen Oberfläche verborgen sind“, so Bierson abschließend.

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Quelle: University of Santa Cruz, Nature Geoscience

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