DNA-ähnliches Molekül könnte Bedingungen in venusähnlichen Wolken überleben
Wroclaw (Polen) – Die Venus gilt allgemein als lebensfeindliche „hölllische Schwester“ der Erde. Jüngste Detektionen von möglichen Biomarkern in den gemäßigten Atmosphärenschichten rütteln jedoch an diesem lebensfeindlichen Bild der Venus. Nun zeigt eine Studie, dass auch unter den extremen Bedingungen in den Wolken der Venus ein DNA-ähnliches Molekül existieren könnte, das in der Lage ist, Gene zu bilden – allerdings in einer Form des Lebens, die sich stark vom irdischen unterscheidet.

Copyright/Quelle: Petkowski et al., Science Advances (2025) / NASA (Hntgr.)
Lange Zeit galt die Venusatmosphäre aufgrund des fehlenden Wassers als feindlich gegenüber komplexer organischer Chemie. Die Wolken des erdähnlichen Nachbarplaneten bestehen aus Schwefelsäuretröpfchen, Chlor, Eisen und anderen Substanzen.
Wie Forschungen unter Leitung von Dr. Janusz Jurand Petkowski von der Technischen Universität Wroclaw im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.adr0006) zeigen, kann Peptidnukleinsäure (PNA) – ein struktureller Verwandter der DNA – unter Laborbedingungen, die den permanenten Wolken der Venus ähneln, überleben.
Das internationale Forscherteam mit Beteiligung der Cardiff University, des MIT, des Worcester Polytechnic Institute sowie des Industriepartners Symeres hatte die Stabilität von PNA in 98-prozentiger Schwefelsäure bei Raumtemperatur über einen Zeitraum von zwei Wochen hinweg untersucht.
Die Ergebnisse dieser Analysen liefern nun neue Hinweise darauf, dass konzentrierte Schwefelsäure eine Vielzahl organischer Reaktionen unterstützen kann, die möglicherweise die Grundlage einer völlig anderen Lebensform als auf der Erde bilden könnten.

Copyright/Quelle: Petkowski et al., Science Advances (2025) / NASA (Hntgr.)
„Viele glauben, dass konzentrierte Schwefelsäure alle organischen Moleküle zerstört und damit jedes Leben unmöglich macht – aber das stimmt nicht“, erläutert Petkowski. „Zwar sind viele Biochemikalien wie Zucker in dieser Umgebung instabil, aber unsere bisherigen Untersuchungen zeigen, dass andere in lebenden Organismen vorkommende Substanzen – wie stickstoffhaltige Basen, Aminosäuren und manche Dipeptide – nicht zersetzt werden.“
„Mit dieser Studie schlagen wir ein neues Kapitel über das Potenzial von Schwefelsäure als Lebenslösung auf, indem wir zeigen, dass PNA – ein komplexes Molekül, das mit DNA verwandt ist und spezifisch mit Nukleinsäuren interagiert – in konzentrierter Schwefelsäure bei Raumtemperatur eine bemerkenswerte Stabilität aufweist.“
Die Studie baut auf Forschungsergebnissen aus dem Jahr 2020 auf, in denen Wissenschaftler des Imperial College London Hinweise auf Phosphan (Phosphin) auf der Venus fanden – ein giftiges Gas, das in sauerstoffarmen Umgebungen produziert wird. Im selben Jahr veröffentlichte ein Forscherteam der Cardiff University erste Ergebnisse, die auf die Existenz von Ammoniak auf der Venus hindeuteten (…GreWi berichtete, siehe GreWi-Dossier am Ende dieser Meldung).
Dr. William Bains von der School of Physics and Astronomy der Cardiff University war an beiden Studien beteiligt und ergänzt: „Sowohl Ammoniak als auch Phosphan gelten als Biomarker – also als mögliche Indikatoren für Leben. Die Venuswolken sind für uns jedoch äußerst lebensfeindlich. Unsere aktuelle Studie untersucht daher die Möglichkeit, dass konzentrierte Schwefelsäure als Lösungsmittel dienen könnte, das komplexe chemische Reaktionen – wie sie für Leben notwendig sind – unterstützt.“
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Für die beteiligten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen war die Entdeckung, dass ein DNA-ähnliches Molekül wie PNA in konzentrierter Schwefelsäure über Stunden stabil bleibt, erstaunlich: „Es ist ein neues Teil im großen Puzzle unseres Verständnisses darüber, wie Leben entsteht – und wo im Universum es existieren könnte.“
Nun könnten die Erkenntnisse neue Wege eröffnen, die Chemie der Schwefelsäure besser zu verstehen – einer der am häufigsten verwendeten Industriechemikalien – und könnten zukünftig dazu praktische Anwendungen liefern: „Unsere Studie zeigt, dass PNA bei Temperaturen über 50 °C in Schwefelsäure nicht mehr stabil ist. Deshalb wird sich unsere zukünftige Forschung darauf konzentrieren, ein genetisches Polymer zu entwickeln – also ein Molekül, das eine ähnliche Funktion wie DNA auf der Erde übernimmt –, das in konzentrierter Schwefelsäure auch bei Temperaturen zwischen 0 °C und 100 °C stabil bleibt, wie sie in den Venuswolken herrschen, und nicht nur bei Raumtemperatur.“
GreWi-Dossier: Biomarker Phosphin in der Venusatmosphäre?
…die bisherigen GreWi-Meldungen dazu in chronologischer Reihenfolge beginnend bei der ErstmeldungStudie zweifelt an einst lebensfreundlicher Venus 3. Dezember 2024
Vorab geleaked: Astronomen finden starke Hinweise für mikrobisches Leben auf der Venus 14. September 2020
Breakthrough Initiative fördert Suche nach primitivem Leben in den Wolken der Venus 16. September 2020
Leben auf der Venus? Forscher hoffen schon in wenigen Wochen auf weitere Daten 21. September 2020
Private Mission zur Suche nach Leben auf der Venus könnte schon 2023 starten 24. September 2020
Zweifel an Nachweis des Biomarkers Phosphin in der Venus-Atmosphäre 21. Oktober 2020
Weiterer Hinweis auf Leben auf Venus? Aminosäure Glycin in lebensfreundlicher Zone der Venus-Atmosphäre 18. Oktober 2020
Möglicher Biomarker auf der Venus: Astronomen stufen Aussagen herab 18. November 2020
Studie: Biomarker in der Venusatmosphäre vermutlich nur gewöhnliches Schwefeldioxid 28. Januar 2021
Phosphin in Venusatmosphäre spricht für explosiven Vulkanismus auf der Venus 12. Juli 2021
Doch Biomarker auf der Venus? – Venus Phosphin-Update 2. Dezember 2021
Phosphin: Neue unabhängige Messungen bestätigen erneut möglichen Biomarker in der Venusatmosphäre 17. August 2022
Fachartikel sieht weiterhin Hinweise für Leben in der Venus-Atmosphäre 3. Dezember 2022
Weitere Studie zu Biomarkern auf der Venus: “Wenn Phosphin, dann nur ganz wenig” 6. Dezember 2022
Erneute Detektion von Phosphin: Gibt es Leben in der Venus-Atmosphäre? 11. Juli 2023
Studie legt nahe: Auch die Venus hatte vor Milliarden vermutlich erdähnliche Plattentektonik 29. Oktober 2023
Studie: Leben in Säurewolken der Venus möglich – Private Mission will 2025 danach suchen 8. Januar 2024
Weitere chemische Anomalien in der Venusatmosphäre wecken Hoffnung Leben 26. Januar 2024
Phosphin und Ammoniak: Neue Detektionen bestärken Hoffnung auf Leben auf der Venus 30. Juli 2024
Recherchequelle: Cardiff University
© grenzwissenschaft-aktuell.de