Neues Mond-Rätsel: Der Mond rostet – und das ohne flüssiges Wasser und Sauerstoff

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Hämatitvorkommen am Nordpol des Mondes. Copyright: Shuai Li

Hämatitvorkommen am Nordpol des Mondes.
Copyright: Shuai Li

Manoa (USA) – Daten des indischen Mondorbiters „Chandrayaan-1“ zeigen Hämatitvorkommen an den Polen des Mondes, die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vor ein Rätsel stellen. Der Grund: Hämatit ist eine oxidierte Form von Eisen und benötigt zumindest auf der Erde sowohl flüssiges Wasser als auch Luft, um sich zu bilden. Beides ist auf der Oberfläche des Erdtrabanten aber so gut wie nicht vorhanden.

Zwar besitzt der Mond eine hauchdünne Atmosphäre und auch Wasser ist in Form vom Eis im Mondboden und am Grunde immerdunkler Krater gebunden, doch ausreichend Sauerstoff und nicht zuletzt Wasser in flüssiger Form, wie sie für den nun entdeckten Rost am Mondpol notwendig wären, gibt es eigentlich nicht. Zudem wird der Mond fortwährend von einem Strom aus Wasserstoff des Sonnenwindes bombardiert, einem Reduktionsmittel, das seine Elektronen an jene Materialien abgibt, mit denen es wechselwirkt. Oxidation ist nun aber eine Erscheinung des Verlusts von Elektronen, was bedeutet, dass selbst wenn ausreichend flüssiges Wasser und Luft auf dem Mond vorhanden wären, die Einwirkung des Sonnenwindes das Rosten des Mondes verhindern sollte.

Wie das Team um Shuai Li von der University of Hawaii at Manoa, Abigail Fraeman und Vivian Sun vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA aktuell im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.aba1940) berichtet, ist der Mond eigentlich die denkbar ungünstigste Umgebung für die Entstehung von Hämatit.

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Die entdeckten Spektralsignaturen des Hämatits am Mondnordpol unterscheiden sich deutlich von der anhand der Apollo-Proben ermittelten Zusammensetzung des Mondbodens in den mittleren Breiten.

Die Hämatit-Signaturen übertragen auf eine Ansicht der erdzugewandten Mondseite. Copyright: Shuai Li

Die Hämatit-Signaturen übertragen auf eine Ansicht der erdzugewandten Mondseite.
Copyright: Shuai Li

„Wir konnten es zunächst nicht glauben, denn unter den gegebenen Bedingungen auf dem Mond sollte es dort kein Hämatit geben“, so Fraeman und führt dazu weiter aus: „Seit aber sogar Wasser auf dem Mond gefunden wurde, vermuten einige Forscher, dass es auf dem Mond durch mögliche Reaktionen des Wassers mit dem Mondgestein auch eine deutlich größere Variation an Mineralien existieren könnte.“

Wo kommt der “Mond-Rost” also her?

Die Forscher und Forscherinnen sehen einen Ansatz für eine Antwort auf diese Frage in der Verteilung des Hämatits. Diese stimme stark mit zuvor bereits nachgewiesenen Spuren von Wasser überein, die mit Einschlägen auf der Mondoberfläche in Zusammenhang gebracht werden. Auf diese Weise könnte ein Gemisch aus Wassereis und Mondboden, dem sogenannten Regolith, an die Oberfläche gelangt, freigelegt worden und hier beim Einschlag geschmolzen sein.

Zudem wurde das meiste Hämatit auf der erdzugewandten Seite des Mondes entdeckt. Auch das ist für die Forscher und Forscherinnen ein interessanter Hinweis: „Der Umstand, dass es mehr Hämatit auf der Erdseite des Mondes gibt, könnte darauf hinweisen, dass es hier einen Zusammenhang mit der Erde gibt“, so Li und vermutet weiter. „Die Situation erinnert an die Entdeckung der japanischen Kaguya-Mission, dass Sauerstoff aus der oberen Erdatmosphäre vom Sonnenwind bis auf die Mondoberfläche getragen werden kann, wenn sich der Mond, etwa einmal monatlich, innerhalb des Magnetschweifes der Erde befindet. Irdisch-atmosphärischer Sauerstoff könnte also das Hauptoxidationsmittel für den Mondhämatit bilden.“ Hinzu komme, dass sich der Mond langsam von der Erde wegbewegt – der Mond der Erde früher also näher war. Auf diese Weise könnte also früher auch deutlich mehr irdischer Sauerstoff auf den Mond gelangt sein.

Fragen bleiben

Alle Zutaten zusammen könnten also über Jahrmillionen hinweg den Mond langsam rosten lassen. Allerdings sind damit noch nicht alle Fragen um das neue Mondrätsel beantwortet. „Interessanterweise findet sich Hämatit in kleineren Mengen aber auch auf der erdabgewandten Seite des Mondes. Dort also, wo der irdische Sauerstoff eigentlich gar nicht hingelangen kann”, berichtet Li und vermutet, dass auch hier kleinste Wassermengen eine Rolle spielen.

„Es wäre sehr interessant, wenn wir eines Tages Proben des Mond-Hämatits direkt untersuchen könnten“, so Sun abschließend. „Es könnte sein, dass es Hämatitablagerungen sehr unterschiedlichen Alters auf dem Mond gibt, die somit immer noch Sauerstoffisotope unterschiedlicher Erdzeitalter beinhalten könnten. Das wiederum wäre für unser Wissen über die Entwicklung der Erdatmosphäre von großer Bedeutung. (…) Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es sehr viel komplexere chemische Vorgänge in unserem Sonnensystem gibt, als wir bislang dachten.“




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Quellen: NASA/JPL, University of Hawaii at Manoa

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