Neue Studie bestätigt: Die Moai-Statuen auf Rapa Nui „gingen“ zu ihren Standorten
Binghamton (USA) – Schon 2012 konnten Experimentalarchäologen eindrucksvoll zeigen, dass hinter lokalen Legenden von den einst an ihre heutigen Standorte gewanderten Stein-Statuen, ein wahrer Kern steckt. Eine neue Studie stützt nun diese ebenso ungewöhnlich wie einfache Transportmethode für die tonnenschweren Moai-Statuen der Rapa-Nui-Kultur.

Copyright: Carl Lipo
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Wie das Team um Carl Lipo von der Binghamton University und Terry Hunt von der University of Arizona aktuell im „Journal of Archaeological Science“ (DOI: 10.1016/j.jas.2025.106383) berichtet, haben sie fast 1.000 Moai-Statuen auf der „Osterinsel“ Rapa Nui untersucht, und die Ergebnisse mit archäologischer Feldarbeit, physikalischen Berechnungen und digitale 3D-Analysen verbunden. Das Ergebnis: Die charakteristische Form der Statuen – ein breiter, D-förmiger Sockel und eine leicht nach vorne geneigte Körperhaltung – war offenbar gezielt konstruiert, um das Balancieren und „Wippen“ zu ermöglichen.
Eindrucksvolle Experimente
Schon 2011 konnte das Team um Lipo und Hunt gemeinsam mit National Geographic Ihre Theorie von den wandernden Moai eindrucksvoll in einem Feldexperiment belegen. Demnach wurden die tonnenschweren Statuen nicht, wie bislang angenommen, in einem Konkurrenzkampf verschiedener Clans mithilfe unzähliger Holzpfähle, Schlitten und Hebel bewegt. Stattdessen kam ein ausgeklügeltes System, mit dem die Statuen nicht horizontal, sondern von Seilen aufrecht gehalten und vertikal in eine Art wankende Bewegung versetzt wurden, zum Einsatz.
Wie die Forscher damals gegenüber Alan Boyle vom „Cosmic Log“ (cosmiclog.msnbc.msn.com) erläuterten, wurde der Experimental-Moai zunächst mit einem Kran und gehalten von Seilen aufgerichtet. Durch den vom großen Bauch erzeugten tiefen Schwerpunkt und die entstehenden Hebelkräfte ließ sich die Staue dann zum einen von zwei Gruppen zu je nur neun Personen an beiden Seiten und weiteren 10 Personen, die den vorwärts wankenden Moai von hinten hielten, effektiv vorwärts bewegen.
Zwar sei eine 5-Tonnen-Version kein Vergleich zu den bis zu 75 Tonnen schweren Originalen, doch sei die Methode skalierbar, versichern die Forscher. „Je schwerer die Statue wird, desto größer wird die Hebelwirkung. Das geht so weit, dass man regelrecht an den Punkt kommt, an dem man das nur so machen möchte.“
Alternatives Modell vom Niedergang der Rapa-Nui-Kultur
Die wandernden Moais sind dabei jedoch nur ein Teil der Theorie, mit der Hunt und Lipo ein alternatives Modell zur bislang anerkannten Erklärung für den Niedergang der Kultur auf Rapa Nui vorlegen.
Bisherige Erklärungen gingen davon aus, dass sich die Bevölkerung von Rapa Nui, durch Raubbau an der Natur, unter anderem durch das angeblich massenhafte Abholzen der Wälder für den Transport der Moai, durch Misswirtschaft und Clankriege untereinander selbst vernichtet haben.
Statt einer „gescheiterten Kultur“, zeichnen Hunt und Lipo das Bild einer deutlich kleineren Population, die das Wenige, was die karge – im Gegensatz zu anderen Szenarien weniger stark bewaldete und fruchtbare – Insel zu bieten hatte, sowie die eigenen Ressourcen sinnvoll zu nutzen wusste.
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Auf Rapa Nui vor rund 800 Jahren angekommen, hätten die polynesischen Siedler Ratten mit an Land gebracht, die auf der Insel keine natürlichen Feinde hatten, und so unter anderem durch das ungezügelte Fressen von Palmnüssen, zur Entwaldung der Insel beitrugen. Während die Population der Rapa Nui selbst über Jahrhunderte stabil geblieben sei und effektive Formen der Bewirtschaftung des kargen Bodens entwickelt habe, hätten sie den Krankheiten, die europäische Siedler Ende des 17. Jahrhundert eingeschleppt hatten, nichts entgegenzusetzen gehabt.
Erstaunlich einfache Technik
Zur neuen Studie zu den wandernden Moai berichten Hunt und Lipo: „Sobald die Statue einmal in Bewegung ist, ist es erstaunlich einfach. Man zieht mit einer Hand – und sie läuft fast von selbst.“ Das Prinzip basiert auf einer rhythmischen, seitlichen Kippbewegung, die die Statue Schritt für Schritt nach vorn schwingen lässt. Die Forscher konnten zeigen, dass diese Technik nicht nur theoretisch funktioniert, sondern physikalisch effizient und realistisch ist.
Um den Nachweis zu erbringen, bauten die Wissenschaftler einen 4,35 Tonnen schweren Nachbau einer Moai mit der typischen „Vorwärtsneigung“. Mit nur 18 Personen gelang es, die Statue innerhalb von 40 Minuten über 100 Meter zu bewegen – deutlich schneller und energiesparender als alle bisherigen Transportexperimente, bei denen die Figuren liegend gezogen oder gerollt wurden.

Quelle: Carl Lipo
Die Bewegung erfolgt dabei in einem Zickzack-Muster, gesteuert durch Seile, die an beiden Seiten der Statue befestigt sind. Während eine Gruppe zieht, lässt die andere locker, wodurch die Moai in einer fließenden, schaukelnden Bewegung voranschreitet – ähnlich einem lebendigen Schritt. Lipo betont: „Je größer die Statue, desto besser funktioniert das Prinzip. Es ist die einzige Methode, die physikalisch Sinn ergibt und zu allen Beobachtungen passt.“
Auch die Straßen der Osterinsel stützen diese Theorie
Viele der historischen Pfade sind etwa 4,5 Meter breit und besitzen eine leicht konkave Form, die die Standfestigkeit der Statuen beim Transport begünstigte. In der Landschaft finden sich zahlreiche parallele und sich überschneidende Straßenabschnitte, die offenbar jeweils neu angelegt oder angepasst wurden, während die Moai in Etappen bewegt wurden. „Man kann sehen, dass das Straßennetz selbst Teil des Transportprozesses war. Sie bauten die Wege, während sie gingen“, so Lipo.

Copyright/Quelle: Carl Lipo.
Die Forscher fordern nun Kritiker heraus, eine alternative Erklärung zu liefern, die sich ebenso schlüssig mit den archäologischen Befunden und physikalischen Daten deckt. „Bislang gibt es nichts, das diese Methode widerlegt“, sagt Lipo. „Im Gegenteil. Alles, was wir finden, stützt sie.“
Archäologische Fakten vs. Moderne Mythen
Gleichzeitig will das Team mit der Studie den Menschen von Rapa Nui selbst Anerkennung zollen. Die Moai sind längst nicht nur Monumente religiöser oder sozialer Bedeutung, sondern auch Zeugnisse außergewöhnlicher Ingenieurskunst. „Diese Menschen waren genial. Mit minimalen Mitteln haben sie eine effiziente und elegante Lösung für ein gewaltiges logistisches Problem gefunden“, erklärt Lipo. „Sie nutzten das, was sie hatten – und das auf eine Weise, die perfekt zu ihrer Umwelt passte.“
Auf diese Weise wollen die Forschenden auch mit jahrzehntelangen Spekulationen aufräumen, die oft ohne Belege verbreitet wurden und für den Transport der Moai Aliens bis zu geheimnisvollen Technologien verantwortlich machen. „Es kursieren viele Fantasien über Rapa Nui, aber kaum jemand überprüft sie wissenschaftlich“, sagt Lipo. „Wir wollten zeigen, dass man den archäologischen Befund erklären kann, ohne ins Mystische abzurutschen – allein mit Beobachtung, Logik und Physik.“
Das Ergebnis zeigt eindrucksvoll, wie archäologische Forschung und experimentelle Nachstellung zusammenarbeiten können, um ein uraltes Rätsel zu lösen. Der „gehende“ Moai ist damit nicht nur Symbol der Inselkultur, sondern auch ein Beispiel für menschliche Kreativität und technische Intelligenz – Jahrhunderte, bevor Maschinen oder moderne Werkzeuge.
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Recherchequelle: Binghamton University, eigenen Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de
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